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Loslassen – neue Einsichten

Ich weiss, ich habe bereits einmal ein paar Zeilen über das Loslassen geschrieben. Was ich damals vorausschauend beschrieb, ist inzwischen Gegenwart.

Zwei Monate sind nun vergangen, seit ich die Kulturfabrik-Biglen verlassen habe. Und immer wieder werde ich ­gefragt, ob mir das Loslassen nicht schwerfalle. Meine Antwort lautet dann jeweils: «Nein, das Loslassen bereitet mir keine Mühe, zumal ich mich ja übergangslos mit neuen spannenden Projekten beschäftige.»

Aber ist dem tatsächlich so? Kann man ein «Lebenswerk», etwas, was man gegründet und über viele Jahre aufgebaut hat, wirklich einfach so loslassen? Ich denke, dass man es können muss, der eigenen Zufriedenheit zuliebe. 

Als Sohn einer Gewerblerfamilie, habe ich die Problematik des Ablösens und Loslassens bereits als Jugendlicher hautnah mitbekommen, als mein Grossvater sein Geschäft an meinen Vater übergab, aber immer noch täglich in der Werkstatt erschien und seine Arbeiten erledigte. Mein Vater änderte natürlich dieses und jenes in den ­Abläufen und Verfahren, was meinen Grossvater gelegentlich zu einem ­gebrummten «Das hani aube angers gmacht…» veranlasste. Aber er liess, so meine Erinnerung, meinen Vater gewähren, auch wenn ihm sicher das Akzeptieren gewisser Veränderungen nicht immer leichtgefallen ist.

Im Gegensatz zu meinem Grossvater, der nach der Geschäftsübergabe weiter im Betrieb mitarbeitete, habe ich mich gänzlich aus der Kulturfabrik-Biglen zurückgezogen, Was aber nicht heisst, dass ich aus der Ferne nicht mitverfolge, was sich in Biglen unter der neuen Leitung so tut. Und es kann durchaus auch mir passieren, dass mir vielleicht das eine oder andere Mal ein «Das hani aube angers gmacht…» durch den Kopf geht.

Aber man muss das Loslassen lernen, in meinem Beruf ist der Abschied eine ständige Wiederholung. Nach jeder ­Inszenierung muss man ein Ensemble, eine Zeit schöner Aufführungen, ein ganzes Projekt loslassen.

Allerdings ist Loslassen nicht in allen Bereichen und Lebenslagen empfehlenswert. Auch das musste ich in meinen Jugendjahren (teilweise schmerzlich) erfahren. Beispielsweise, wenn ich während einer zügigen Abfahrt den Lenker meines Fahrrads leichtsinnig losliess.

Beispiele nicht empfehlenswerter «Loslassereien» gäbe es noch viele, aber ich muss meine Kolumne jetzt dringend beenden. Ich habe während des Schreibens nämlich einige Tassen Kaffee zuviel getrunken und nun schreit meine  Blase ziemlich heftig nach Loslassen…

07.09.2023 :: Peter Leu