Wie kommen Mountainbiker und Wanderer aneinander vorbei?

Wie kommen Mountainbiker und  Wanderer aneinander vorbei?
Nicht alle Wanderfreunde sind beglückt, wenn sie auf Mountainbikes treffen. Nun werden klare Regelungen angestrebt. / Bild: Jürg Kühni (JKB)
Kanton Bern: Mountainbiken und Wandern haben einen Aufschwung erfahren, was zu Konflikten führen kann. Die grosse Frage dabei: Wann dürfen Biker auf Wanderwege?

Der 7. Juni 2023 wird für die Berner Mountainbike-Szene in die Geschichtsbücher eingehen. Der Grosse Rat debattierte über das Strassengesetz und hiess dabei den Artikel 48b gut, der im Abschnitt 2 festhält: «Es wird eine gemeinsame Nutzung der Wege (Koexistenz) angestrebt.» Für manche Mountainbiker hiess das: Ich kann auf alle Wanderwege. Dass dies so nicht zutreffend ist, sind sich sowohl der Geschäftsführer der Berner Wanderwege, Bernhard Schmidt, wie auch Hans Ulrich Zwahlen, Präsident der IG Mountainbike Kanton Bern (BeBike), einig. Mit dem Entscheid des Grossen Rates hat sich an der bisherigen Regelung (siehe Kasten) nichts geändert. Noch nicht. Um die Konflikte zu minimieren, sollen Mountainbikerouten, die über Wanderwege führen, fix festgelegt werden. Als erster Schritt müssen dazu Richtpläne ausgearbeitet werden.


Erst der Richtplan, dann neue Routen

Im Emmental wird am Richtplan Mountainbike gearbeitet. Die Regionalkonferenz Emmental führte dazu eine Mitwirkung durch. Eine Tendenz zu den gemachten Eingaben lasse sich nicht erkennen, heisst es bei der Geschäftsstelle der Regionalkonferenz. Die Eingaben müssten erst ausgewertet werden. Wie geht es dann weiter? Dann werde der Richtplan überarbeitet und beim Kanton zur Vorprüfung eingereicht. Die Regionalkonferenz werde frühestens 2024 über den Richtplan befinden. Erst wenn der regionale Richtplan Mountainbike in Kraft ist, werden im Emmental neue Mountainbikerouten konkret geplant werden. Während die neuen Routen auf sich warten lassen, sind die Bikerinnen und Biker unterwegs, vorzugsweise auf Waldwegen oder Wanderpfaden, was zu Konflikten führt. «Es braucht Lösungen für die Übergangszeit, weil in vielen Gebieten nur ganz wenige Mountainbikrouten ausgeschildert sind», sagt Hans Ulrich Zwahlen von der IG Mountainbike Kanton Bern. Eine Herausforderung ist dabei, die Mountainbiker zu informieren: Gemäss Zahlen des Bundesamts für Sport zählt der Kanton Bern gut 100´000 Mountainbikerinnen und -biker. «Davon sind aber nur drei Prozent in einem Verein oder bei BeBike  angeschlossen», weiss der Präsident der IG Mountainbike Kanton Bern. Eine Lenkung der Biker lasse sich durchaus erreichen. Hans Ulrich Zwahlen nennt als Beispiel den Verein «Gantrisch Biking». Dank diesem konnten in diesem Gebiet ein gutes Nebeneinander geschaffen und signalisiert werden – was die Bikerinnen und Biker von reinen Wanderwegen abhalte. Die Bikenden würden sich an die Signale halten, weil sie wüssten, dass ein guter Weg auf sie warte. Kontrollen und Bussen erachtet er als weniger zielführend. Die Mitglieder des Vereins würden auch mithelfen, die Routen zu unterhalten.


Die «Wägli-Mannen» winken ab

Der Verein Berner Wanderwege hält zum Thema Unterhalt fest: «Dadurch, dass die Wanderwege – wie es der Name sagt – fürs Wandern und nicht für Mountainbiken angelegt worden sind, erleiden sie bei einer Doppelnutzung unausweichlich grössere Schäden.» Dieser Meinung sind auch Leute, welche die Wanderwege unterhalten. In der Gemeinde Trubschachen sind das die «Wägli-Mannen» des Verkehrsvereins. Wie Präsident Adrian Zurmühle berichtet, würden sich rund 15 Männer im Pensionsalter um die Wanderwege kümmern.  Sie staunten nicht schlecht, als sie eine Einladung zum «Grundlagenkurs Wegunterhalt» der IG Mountainbike erhielten, obwohl die Bikerouten noch gar nicht festgelegt sind. «De söue doch die d Wägli flicke», habe es geheissen. Der Kurs sei zwar gratis, aber das Mittagessen müssten die Teilnehmenden selber zahlen. Hans Ulrich Zwahlen verteidigt die Kurse. Es bestehe keine Pflicht, diese zu besuchen. Die bisherigen Durchführungen seien aber auf grosses Interesse gestossen, sagt er. Es gehe darum, den Zuständigen zu zeigen, auf was es beim Unterhalt eines Wanderweges ankomme, der auch durch Biker befahren werde. Und man merke, dass ein Biketrail nicht zwingend einen grösseren Unterhalt mit sich bringe als der eines Wanderwegs. «Wenn ein Trail gut ‹zwäg› ist, entstehen daneben auch weniger illegale Routen.»


Grundeigentümer müssen Ja sagen

Bevor für die Bikerouten der Unterhalt ansteht, müssen sie erst realisiert werden. «Bei den Wanderwegen ist es so, dass die Gemeinden bei jedem Grundeigentümer die Zustimmung einholen müssen. Bei Mountainbikerouten ist das genau gleich», sagt Bernhard Schmidt. «Man kann also nicht plötzlich sagen: ‹Jetzt nutzen wir diesen Wanderweg auch als Biketrail.›» Aus Sicht der Berner Wanderwege sei eine Entflechtung von Wander- und Bikerwegen deutlich besser. «Sonst sind Konflikte vorprogrammiert», sagt Schmidt. Dieser Meinung sei auch die Bevölkerung: In einer repräsentativen Umfrage, betont Schmidt, hätten sich 59 Prozent gegen die gemeinsame Nutzung der Wanderwege ausgesprochen, 37 Prozent waren dafür und 4 Prozent waren unentschlossen.


Kein Downhill auf Wanderwegen

«Es geht ja nicht darum, alle Wanderwege blind für das Mountainbike freizugeben, auch wenn nach Bundesrecht sozusagen der Grundsatz gilt: Wo der Wanderschuh hinpasst, passt heute auch das Mountainbike hin», hält der Präsident der IG Mountainbike Kanton Bern fest. Eine gemeinsame Nutzung mache nur Sinn, wenn die Sicherheit gewährleistet sei und es die Nutzerfrequenz zulasse. Dieser Grundsatz werde in anderen Kantonen erfolgreich angewendet. «Wir wollen nicht auf einem Wanderweg eine Downhill-Strecke bauen. Dazu streben wir spezifisch gebaute Pisten an.» Dass hin zur gemeinsamen Nutzung von Wanderwegen und Bikerouten noch die eine oder andere Frage geklärt werden muss, ist sich auch der Regierungsrat bewusst. Er will detaillierte Definitionen in einer Verordnung nachliefern.

Wann ist Biken auf Wanderwegen heute legal?

«Das Mountainbiken ist auf Wegen erlaubt, die als Velo- oder Mountainbike-Routen signalisiert sind», schreibt die Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern auf Anfrage. «Besteht keine Signalisation, so gelten die einschlägigen Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts und der Waldgesetzgebung.»


Was heisst «schmal»?

So einschlägig sind die Bestimmungen indes nicht. «Schmale Fuss- und Wanderwege sowie Skipisten, Langlaufloipen und Schlittelwege sind nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmt», steht in der kantonalen Strassenverkehrsordnung. Das bedeute, dass diese auch nicht für Mountainbikes bestimmt sind. «Damit ist zumindest bei Wanderwegen nach wie vor teilweise unklar, wann das Fahrverbot gegenüber Mountainbikern gilt, wird doch nicht definiert, was als schmal gilt», hielt der bernische Regierungsrat in der Botschaft zur Revision des Strassengesetzes fest. In der Literatur werde die Auffassung vertreten, ein Weg falle unter das Verbot, wenn er weniger als zwei -Meter breit sei. «Bestehen Zweifel über die Befahrbarkeit oder die Offensichtlichkeit der Zweckbestimmung eines Wanderwegs, ist durch eine entsprechende Signalisation Klarheit zu schaffen», heisst es in der Signalisationsverordnung des Bundesrats.

24.08.2023 :: Bruno Zürcher (zue)