Zwei Spitäler, eine Geburtsabteilung

Zwei Spitäler, eine Geburtsabteilung
Blick in ein Zimmer der Geburtsabteilung in Burgdorf. Hier werden künftig mehr Geburten durchgeführt. / Bild: zvg
Emmental: Die Spitäler der Region Oberaargau und Emmental konzentrieren die Geburtsabteilung auf den Standort Burgdorf. Gründe sind die Wirtschaftlichkeit und Vorgaben des Kantons.

Die Konzentration der Geburtsabteilung auf den Standort Burgdorf sei mit dem bernischen Regierungsrat abgesprochen, bestätigt Bernhard Antener, Verwaltungsratspräsident der Spital Emmental AG auf Anfrage. Der Kanton fordert von den Spitalregionen, dass Angebote konzentriert und die Wirtschaftlichkeit erhöht werden. In Bezug auf die Rentabilität von Geburtsabteilungen gilt, dass diese ab rund 1000 Entbindungen pro Jahr und Standort erreicht werden kann. Im Spital Emmental haben im vergangenen Jahr 874 Kinder das Licht der Welt erblickt; im Spital Oberaargau (SRO) waren es 556, wobei die Zahlen an beiden Standorten leicht rückläufig sind. «Aktuell sinkt die Geburtenrate schweizweit», nennt Bernhard Antener einen weiteren Faktor.


Fallpauschalen decken Kosten nicht

Hinzu kommt: Die Geburtshilfe ist für die beiden Regionalspitäler nicht rentabel: «Obwohl die Leistungen mit hoher Qualität und grossem personellem Einsatz erbracht werden, decken die aktuellen Fallpauschalen die tatsächlichen Kosten bei weitem nicht», wird Daniel Schmid, Verwaltungsratspräsident der SRO AG, in einer Medienmitteilung zitiert. 

«Die Geburtshilfe muss während sieben Tagen pro Woche und rund um die Uhr bereit sein», beschreibt Bernhard Antener weiter. «Fachpersonen wie Hebammen, Gynäkologen, Kinderärztinnen, OP-Personal sowie Anästhesisten müssen rund um die Uhr für allfällige Notfälle bereit sein.» Die strategischen Leitungen der Spitäler erhoffen sich von der Konzentration auf den Standort Burgdorf eine Steigerung der Effizienz: Je mehr Geburten an einem Standort, desto tiefer die Kosten pro Fall. Wie viele Eltern aus dem Oberaargau werden für die Geburt ab 1. Oktober, wenn die Anpassung vollzogen wird, nach Burgdorf reisen? «Es werden sicher nicht alle Frauen nach Burgdorf kommen, weil wir künftig in Konkurrenz zu anderen Spitälern wie Sursee, Zofingen oder Olten stehen», sagt Bernhard Antener. Die Situation sei dann ähnlich wie im Emmental, wo man die Spitäler der Region Bern «spüre».


Stationäre Gynäkologie bleibt

Weiterhin in Langenthal wie auch an den beiden Standorten Burgdorf und Langnau angeboten werde die Betreuung vor und nach der Geburt durch Hebammen sowie Gynäkologen. Ebenfalls nicht von der Neuausrichtung tangiert ist der übrige Fachbereich Gynäkologie. «Stationäre und ambulante gynäkologische Gesundheitsleistungen und Sprechstunden, beispielsweise spezialisierte Behandlungen bei Brust- und Unterleibserkrankungen, Inkontinenz, Beckenboden- oder Wechseljahrbeschwerden, werden in der gewohnten hohen Qualität am Standort Langenthal angeboten», steht in der Mitteilung weiter.


Projekt «Schwangerschaftsweg»

Die beiden Regionalspitäler haben weiter das Projekt «Schwangerschaftsweg» aufgegleist, in welcher der Hebamme eine zentrale Rolle zukomme. Sie übernehme in der Schwangerschaftsbetreuung bei normal verlaufenden Schwangerschaften die Rolle der Gesundheitsmanagerin und begleite die Frauen eigenständig von Beginn der Schwangerschaft bis zur Geburt. Die Schwangerschaftskontrollen würden sowohl in den Hebammensprechstunden als auch bei Ärztinnen und Ärzten stattfinden, orientieren die beiden Spitäler. Bei Abweichungen von einer normal verlaufenden Schwangerschaft (beispielsweise Schwangerschaftsdiabetes, Risikoschwangerschaft oder Mehrlingsgeburten) erfolge die Betreuung in enger Zusammenarbeit mit Gynäkologinnen und Gynäkologen. «Mit dem Schwangerschaftsweg geben wir der Hebamme ihre ursprüngliche Aufgabe, wofür sie ausgebildet wurde, wieder zurück; die Betreuung der physiologischen Schwangerschaft und Geburt», so die Aussage von Matthias Scheidegger, Chefarzt der Frauenklinik des Spitals Emmental. «Schwangerschaft und Geburt sind natürliche Ereignisse. Sie dürfen nicht als Krankheit angesehen werden, was zu Ängsten und Überarztung führt oder zu vermehrten Untersuchungen und medizinischen Eingriffen.»


Emotionen und Kritik

Die Mitarbeitenden der Geburtsabteilung am Spital in Langenthal wie auch die Kader der weiteren Abteilungen dieses Spitals sind am Montag über die Neuorganisation orientiert worden. Bei der anschliessenden Information von Politikern und zuweisenden Ärzten war auch Bernhard Antener, Verwaltungsratspräsident der Spital Emmental AG, zugegen. «Es war auch hier emotional und es wurde Kritik geäussert», fasst er zusammen. Solche Reorganisationen würden verständlicherweise immer Ängste auslösen: Was passiert mit meiner Anstellung? Braucht es mich noch? «Die beiden Spitäler müssen die Personalsituation nun rasch klären», betont Antener. Als positives Signal wertet er, dass der Chefarzt Gynäkologie des Spitals Langenthal zugesichert habe, die Frauenklinik auch in Zukunft zu führen. Wie viele Mitarbeitende von der Geburtsabteilung in Langenthal künftig in Burgdorf tätig sein werden, sei noch nicht bestimmt. 

Klar ist hingegen, dass die Entbindungen ab 1. Oktober 2025 nur noch in Burgdorf durchgeführt werden.


Zusammenarbeit, keine Fusion

Die Konzentration der Geburtshilfe ist nach dem gemeinsamen Brustzentrum und dem Zusammenschluss der beiden Rettungsdienste der nächste Schritt in der Zusammenarbeit der beiden Regionalspitäler. Folgt als nächstes die Fusion? «Nein. Beide Verwaltungsräte haben explizit festgehalten, auch künftig eigenständige Spitäler betreiben zu wollen», sagt Bernhard Antener. «Das heisst aber nicht, dass man nicht gemeinsam schlaue Projekte in der Zusammenarbeit aufgleisen kann.» Der bernische Regierungsrat erwarte mit dem «4+»-Regionen-Modell - bei dem das Emmental und der Oberaargau eine Versorgungsregion bilden - «dass die Leistungsangebote der SRO AG und der Spital Emmental AG sinnvoll aufeinander abgestimmt werden, um die Gesundheitsgrundversorgung in den Regionen Oberaargau und Emmental langfristig sicherzustellen», erklärt Daniel Schmid, Verwaltungsratspräsident der SRO AG, in der Medienmitteilung.

03.07.2025 :: Bruno Zürcher (zue)