Error compiling Razor Template (contact the administrator for more details)

«Nume nid jufle»

Ich bin mal wieder spät dran. Also kurve ich mit dem Auto schnellst­möglich die enge Strasse hinunter und bin gedanklich schon fast in Langnau. Doch weiss ich ganz genau: Mit ­diesem Denken komme ich vermutlich nicht weit. Und tatsächlich. Nach 600 Metern ist Schluss. Kühe werden via Strasse auf die weiter entfernte Weide getrieben. Gut, okay. Ist ­schliesslich auch im Sinne des ­Tierwohls sinnvoll. Also übe ich mich in Geduld. Dann plötzlich ein ­Winken. Dankbar winke ich zurück. Die Strasse ist wieder frei. Ich drücke aufs Gaspedal. Kaum bin ich auf der Hauptstrasse, schliesse ich zu einem Traktor mit Anhänger auf. Mann, das darf doch wohl nicht wahr sein, schiesst es mir durch den Kopf.

Zum Überholen ist es viel zu unübersichtlich. Also drehe ich die Musik lauter und übe mich erneut in Geduld. Endlich. Der Traktor biegt in eine ­Nebenstrasse ab. Ich kann wieder ­normales Tempo fahren. Zumindest ein paar hundert Meter. Dann ist ­wiederum Schluss. Es ist nämlich ­Märit heute in Langnau. Daran hatte ich nun wirklich nicht gedacht. An sich eine schöne Szenerie. Überall Marktstände und ein buntes Treiben. Und viele Menschen. Die natürlich alle genau dort über die Strasse ­möchten, wo ich entlangfahre. Es ist zum Verzweifeln. Trotzdem beschliesse ich, über meinen Schatten zu ­springen und ein freundliches Gesicht aufzusetzen. Ja, ich versuche mich ­sogar im Lächeln, was mir leidlich gelingt. Doch immerhin lächeln die Fussgänger zurück. Manche winken sogar fröhlich. Und ich fühle mich gleich besser. Dabei wäre ich doch eigentlich in Eile. Irgendwie zufrieden gondle ich dem Ilfiskreisel zu und ­biege fast schon beschwingt
in ­Richtung Bern ab. Im Wissen, dass meine Geduld dort ganz bestimmt mehrfach auf die ­Probe gestellt wird. Und tatsächlich: Schon bald schliesse ich zum ­nächsten Traktor auf. Dann zu einem Töffli, das mitten auf der Strasse fährt. Und so weiter und so fort.

Häufig ­dieser Situation ausgesetzt, mache ich mir öfters Gedanken dazu. Werde ich mich wohl eines Tages an diese ­Langsamkeit gewöhnen? Jetzt bin ich seit bald vier Jahren hier oben ­zuhause, von Gewöhnung keine Spur. Doch vielleicht sollte ich auch einfach mal meine Eile überdenken. Mal ­entschleunigen. Denn schliesslich ist es ja genau diese Ruhe, die mir so gut gefällt. Dazu gehört auch, dass hier alles in etwas ruhigeren Bahnen läuft. «Nume nid jufle», lautet das Motto. Und vielleicht sollte ich mich ­ebenfalls daranhalten. Dem Herz und der Lebensqualität zuliebe.

03.08.2023 :: Ann Schär