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Da liegt etwas in der Luft

Neulich stand in der Zeitung, dass im botanischen Garten in Zürich nach vier Jahren wieder einmal eine Titanwurz blüht. Dieses stattliche Blümelein erreicht eine Höhe von über drei ­Metern und es verströmt den Duft von fauligem Fleisch. Neben Aasfliegen lockt das Gewächs Unmengen von Schaulustigen an. In jeder anderen ­Situation nehmen wir vor solchem Gestank Reissaus, hier zahlen wir Eintritt. Daraus lässt sich folgern: Wenn etwas gewaltig verdorben riecht, zieht es a) die Fliegen an und b) kommt in der Zeitung.

So rasch wie die Titanwurz verblühte, so schnell ermattete auch das mediale Interesse an der gigantischen Zürcher Stinkeblume. Andere Themen halten sich da länger. Ob sich daraus Rückschlüsse auf deren Geruch ziehen ­lassen?

Was unter anderem seit Monaten die Gemüter bewegt, sind die neuen Errungenschaften im Bereich künstlicher Intelligenz. Epochal seien sie, faszinierend und beängstigend zugleich.

Ausgelöst wurde der aktuelle KI-Hype im vergangenen November durch die Veröffentlichung von Tschättschipiti. Ja, ich weiss, man schreibt das eigentlich anders, aber so gefällt es mir ­besser. Tschättschipiti hat auf alles eine Antwort. Diese Antworten sind zwar nicht immer richtig, kommen dafür aber prompt. Solche Leute kannte ich schon vorher, von daher verstehe ich die Aufregung nicht so ganz.

«Die Menschheit wird verdummen, wenn für alles nur noch der Computer befragt wird!», hört man mahnende Stimmen orakeln. Wahrscheinlich hat es bei der Erfindung des Taschenrechners ähnlich getönt. Die rasanten Fortschritte in Wissenschaft und Technik lassen vermuten, dass es sich anders verhält. Theoretisch wäre es natürlich auch möglich, dass wir aufgrund fortschreitender Verdummung schlicht nicht mehr in der Lage sind, den Wahrheitsgehalt dieser Unkenrufe zu erkennen. Es fällt mir jedoch schwer, das zu glauben.

Hingegen teile ich die Bedenken gegenüber der Entwicklung, künstlicher Intelligenz zunehmend Verantwortung zu delegieren. Wohin kommen wir, wenn wir unseren Taschenrechner Entscheide fällen lassen? Mit Blick auf einige gegenwärtige Entscheidungs­träger relativiert sich aber auch diese Sorge. Ich befürchte, man gewöhnt sich daran. Bald ist auch das KI-Thema ein kalter Furz.

Womit wir wieder bei den Düften ­wären.

Was bin ich froh, wächst in meinem Garten keine Titanwurz. Artenschutz hin oder her, ich müsste sonst jäten. Das verdirbt einem ja die Grillparty, wenn es nebenan nach Kadaver riecht.

27.07.2023 :: Peter Heiniger