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Spontan schenken

«Da, das isch für dich.» Mit ­diesen Worten streckt mir der Junge, etwa vier Jahre alt, etwas entgegen. Verwundert wie ich bin, kann ich seinem Lächeln doch nicht widerstehen und halte meine Hand auf. Als ich schaue, liegen zwei Buchennüssli auf den Handflächen.

Ich bin mitten in der Stadt Zürich unterwegs zu einer Sitzung. Mein Weg führt mich durch ­einen kleinen Park, wo sich um diese Zeit einige Familien mit Babys und kleinen Kindern aufhalten. Die Kinder spielen, die Mütter und Väter tauschen sich aus, manche picknicken. Es ist friedlich. Und eben: Einer der Jungs, die unter den Bäumen gespielt und anscheinend nach Schätzen gesucht hatten, sieht mich fremde Frau, die überhaupt nicht in diese familiäre Runde passt, schaut mich an, lächelt, läuft auf mich zu und schenkt mir spontan einen seiner Funde.

Dieses Erlebnis ist jetzt zwei Monate her, und ich erinnere mich immer noch. Ich freue mich darüber und komme ins Nachdenken: Weshalb mache ich so etwas nie? Geschenke, die ich mache, müssen etwas Besonderes sein; es steckt jeweils viel Überlegung und Zeit drin, bis ich das Richtige gefunden habe. Dieses Kind hat aus dem ­Moment heraus gehandelt und einer fremden Frau etwas von seinen Schätzen abgegeben.

Ob ich als erwachsene Frau, mich das noch getrauen könnte? Muss es denn immer gut überlegt und sorgfältig ausgesucht sein? Wie käme das an, wenn ich ganz spontan und mit einem ­Lächeln einer fremden Person einige Buchennüssli schenken würde? Würde mich die beschenkte Person wohl für verrückt erklären, oder würde sie merken, dass ich eine Freude machen wollte? Vermutlich eher das Erste.

Der Junge hat mich wahrgenommen, mich gesehen, mir etwas Gutes getan. Ganz spontan, einfach so. Jesus hatte schon recht, wenn er die Erwachsenen seiner Zeit mahnte: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder.» Mehr Spontaneität würde uns wohl doch nicht schaden. Oder was meinen Sie?

27.07.2023 :: Claudia Haslebacher