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Klein, aber oho

Klein, aber oho
Sanfte Hügel und eine viel befahrene Strasse – das ist typisch für Wachseldorn / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Wachseldorn: Durch das Gebiet Wachseldorn sind schon Hunderte gefahren. Nur wenige dürften wissen, dass die Gemeinde erst seit 200 Jahren besteht.

Aller Anfang war schwer. Zwar waren sich die Bürger von Buchholterberg und Wach­seldorn-Gützenschwendi einig, künftig getrennte Wege zu gehen. Aber um eine eigenständige Gemeinde auf die Beine zu stellen, mussten etliche Fragen geklärt und zig Aufgaben verteilt werden. Das zeigt sich, wenn man im «Gemeinds Manual der Gemeinde Wachseldorn und Güzischwendi» liest. Der erste Eintrag datiert vom 3. Juli 1823 und ist somit fast genau 200 Jahre alt. 


20 Sitzungen in einem halben Jahr 

Der Umstand, dass die konstituierende Gemeindeversammlung auf «oberambtlichen befell» und unter Aufsicht des «achtbahren Grichts Stathalters Christian Stucki» abgehalten wurde, beweist, dass die Trennung von Buchholterberg nicht eben leise vonstatten ging. 

Zunächst ging es für Wachseldorn darum, die Männer zu bestimmen, unter deren Führung die neue Gemeinde aufgebaut werden sollte. Durch das «geheime Stimmenmehr» als Obmann bestimmt wurde Niklaus Roth. Das Protokoll der ersten «Grosse Gemeinds Versammlung» umfasst nur vier Traktanden. Der Grundstein für den Aufbau einer eigenen Gemeinde war gelegt. 

Nur gut zwei Wochen später fand die nächste Versammlung statt. Nun hatten die Bürger über das erste Gemeindereglement zu befinden. Wie dem Manual zu entnehmen ist, wurde dieses «durch das Stimmenmehr einhälig Gut erkannt». Gutgeheissen wurde auch das Wahlreglement, wobei man sich offenbar nicht ganz sicher war, ob dieses auch der Weisheit letzter Schluss sei. Auf alle Fälle solle dieses Reglement gültig sein «bis ein nüwes entworfen sei». Diese zweite Versammlung dürfte einiges länger gedauert haben. Es galt zig Posten zu besetzen und organisatorische Entscheide zu fällen.Wer soll im Gemeinderat mitwirken? Wer ist für die Waisen verantwortlich? Nicht weniger als 18 Geschäfte protokollierte «Gemeinds Schreiber» Christian Roth; Obmann Niklaus Roth und Chorrichter Mathis Küntzi unterzeichneten es. Der Gemeindeschreiber brauchte alleine bis zum Jahresende viel Tinte: Innerhalb des ersten Halbjahres wurden nicht weniger als 20 Versammlungen abgehalten. Gemeinsam mit Jakob Fahrni wurde Gemeindeschreiber Roth auch beauftragt, «den Burger Rodel in die Richtigkeit zu bringen», also zu bestimmen, wie viele Seelen in der neuen Gemeinde leben. Das Resultat ist in den nachfolgenden Protokollen nicht zu finden. 


Einst fast 350 Einwohner 

Gemäss historischem Lexikon der Schweiz (HLS) zählte die Gemeinde im Jahr 1850 total 347 Personen; im Jahr 1900 waren es 334 und 1950 deren 342 – die Einwohnerzahl war also ziemlich konstant. Dann ist die Zahl gesunken: Für das Jahr 2000 gibt das HLS eine Gemeindebevölkerung von 281 Personen an. Die Gemeinde meldet per Ende 2021 eine Einwohnerzahl von 221. Damit ist Wachseldorn im Gebiet der «Wochen-Zeitung» die Gemeinde mit den wenigsten Einwohnern und es stellt sich die Frage nach deren Zukunft. «Eine Fusion ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Thema», sagt Martin Stegmann, seit zehn Jahren Wachseldorns Gemeindepräsident. 2011 allerdings gehörte Wachseldorn zu den wenigen Gemeinden, die einer Fusion im Zulgtal positiv gegenüberstand. Dass die Einwohnerzahl stark wachsen wird, davon ist nicht auszugehen, weil die Gemeinde über praktisch keine Baulandreserven verfügt. «Es ist aber nicht so, dass wir hier nichts haben», sagt Stegmann und zählt auf: In Wachseldorn gebe es eine Autogarage, eine Landmaschinenwerkstatt, einen Coiffeur, eine Metzgerei, eine Zimmerei und einen Gasthof. «Und wir haben eine tolle Aussicht», fügt Stegmann an. Diese dürften in diesen Tagen auch zig Motorradfahrer geniessen. Schliesslich liegt die Gemeinde Wachseldorn, die aus einer grossen Streusiedlung besteht, an der bekannten Schallenberg-Route. 


«Öppis mache» für die Gemeinde

«Wir haben einen guten Kit in der Gemeinde und die Leute sind sehr pflichtbewusst», lobt Stegmann. Bei einer so kleinen Gemeinde müsse fast jeder mal ein Ämtli übernehmen. Insgesamt finde er es positiv, dass man selbständig sei und beispielsweise  hier an der Gemeindeversammlung über eine Strassensanierung bestimmen könne. «Auch wenn wir viele Vorhaben etappieren müssen, weil die finanziellen Mittel beschränkt sind», sagt Martin Stegmann. Kleine Brötchen backen wird Wachseldorn auch bei der 200-Jahr-Feier. Es werde kein Riesenfest geben, aber ein Fest für die Bewohnerinnen und Bewohner. «Hier kennt jeder jeden. Das wird sicher lustig», meint Martin Stegmann.  

In vielen Bereichen spannt Wachseldorn mit der Gemeinde Buchholterberg zusammen, von der man sich vor 200 Jahren abgespaltet hat; beispielsweise bei der Schule oder bei der Feuerwehr. «Wir helfen eindander», sagt Martin Stegmann. «Die Zusammenarbeit ist sehr gut.» Damit ging in Erfüllung, was vor 200 Jahren vereinbart wurde: Dass man sich «in Zukunft einander in allen Angelegenheiten als benachbarte Gemeinden behülflich» sein werde und alle im Streit genannten «ehrrührigen Zulagen» zurückgenommen würden.

Das Gebiet Wachseldorn hatte verschiedene Herren

Einst war das Gebiet Wachseldorn Teil der Herrschaft Diessbach. Ab dem Jahr 1356 gehörte es zum Kloster Interlaken. Um das Jahr 1400 teilte Bern das Gebiet gerichtlich dem sogenannten Amt Röthenbach und mit diesem 1529 der Landvogtei Signau zu. Im Jahr 1864 wurde Wachseldorn dem Amtsbezirk Thun zugeschlagen. 

Kirche: Ab 1712 bildete Wachseldorn mit dem Buchholterberg-Drittel (Kirchgemeinde Oberdiessbach) einen kirchlichen Bezirk. Noch heute gehört Wachseldorn zur Kirchgemeinde Buchholterberg.  

Die Bauernsamen von Gützenschwendi und Wachseldorn hatten mit anderen am Buchholterberg Weide- und Waldgemeinschaft bis zur Aufteilung (1594-1696) in verschiedene Gütergemeinden. 

Im Jahr 1805 schlossen sich Mittelbuchholterberg und Wachseldorn-Gützenschwendi zu einer Gemeinde zusammen. Nach einem Streit trennten sie sich 1823 in die politischen Gemeinden Wachseldorn und Buchholterberg. 

13.07.2023 :: Bruno Zürcher (zue)