Wenn das ganze Dorf zum Übungsfeld für die Rettung wird

Wenn das ganze Dorf zum Übungsfeld für die Rettung wird
Lernen, optimal zusammenzuarbeiten, lautet eines der grossen Ziele des Stewi. / Bild: Bernadette Waser-Unternährer (wbe)
Schüpfheim: Wenn es von Rettungswagen wimmelt und kein Unglück geschehen ist, steht «Stewi Advanced» an. Künftige Ärztinnen und Rettungssanitäter lernen zusammenzuarbeiten.

Letztes Wochenende waren im ganzen Dorf Schüpfheim Rettungswagen unterwegs. Beim Haus an der Emme stand unter grünen Kastanienbäumen ein gelbes Ambulanzfahrzeug des Spitals Emmental. Was war nur los, an diesem friedlichen Samstag? Die Antwort kam vom Notarzt Jeff Huber: «Unser Projekt ist eine Ergänzung zum Studium», sagte er zur Gruppe, die auf ihn wartete. «Im Herbst begannen wir mit den Providern, den Studienanfängern des dritten und vierten Semesters der Humanmedizin, die im Stewi praktische Skills der Notfall- und Rettungsmedizin erwerben. Heute stehen die Advanced, die fortgeschrittenen Rettungssanitäter  und Sanitäterinnen sowie Ärzte und Ärztinnen im sechsten Studienjahr in gemischten Teams im Einsatz. Dazu kommen noch 45 Helfer und Helferinnen». Die Abkürzung Stewi steht für  Student Trauma & Emergency Weekend.


Richtig reagieren

Mit einem Kleinbus ging es zum ersten Posten bei der Firma Schibiholz, Rettungssanitäterin Tamara Krummenacher zeigte der Gruppe den Unfallplatz. Zwei perfekt moulagierte Figuranten, eine Frau und ein Mann, warteten auf ihren Einsatz: Als das Notfallteam eintraf, begann der Mann zu schreien und zu klagen. Ein Zweierteam kümmerte sich sofort um ihn, während sich das andere der Frau annahm. 

Für den Arbeiter mit dem gebrochenen Bein stand ein Ambulanzfahrzeug bereit. Während dieser noch ganz verwirrt nach Alice rief, hatte das Rettungsteam der Verletzten bereits einen Beckengurt angelegt um die Blutung an der Hüfte zu stoppen. «Sie reagierten richtig», lobte Notarzt Bucher. «Sie haben erkannt, dass nicht der Laute mit dem Beinbruch, sondern die Stille mit dem Beckenbruch in Lebensgefahr ist und haben für sie die Rettungsflugwacht alarmiert.»


Unterschiedlichste Fälle

Weiter ging es, vorbei an einem Heustock-Unfall in der Hofmatt, einem Arbeitsunfall in der Kistag sowie einem Notfall mit Herzrhythmusstörung in der Praxis Dr. Studer. Vor der Landi am Bahnhofplatz kümmerte sich ein Rettungsteam um eine Frau mit einem Hirnschlag.

Währenddessen stellte Jeff Huber das Stewi vor. «Wir sind ein Verein ohne kommerzielle Absichten und arbeiten  ehrenamtlich und unentgeltlich in der Freizeit. Für die Weekends bezahlen unsere Studierenden, alles inklusive 100 Franken. Damit kann lediglich ein Drittel der Kosten gedeckt werden, das restliche Geld stammt von Sponsoren.» Obwohl sie keiner Schule angehörten, sei ihre Weiterbildung gefragt. Die 40 Ausbildungs-Plätze seien immer ausgebucht und die Warteliste lang. «Im Dorf haben wir einen grossen Rückhalt. Schüpfheim ist ein Begriff für die Rettungsszene», so Huber.


Zwölf Rettungsfahrzeuge 

«Wir haben zwölf Rettungsfahrzeuge für zehn Posten zur Verfügung. Im WPZ spielen Pensionäre die Figuranten. An zwei Posten sind Kinder im Einsatz, auch im Schulhaus Moosmättili, wo es zu einer allergischen Reaktion kam», erzählte Jeff Huber. Inzwischen traf der Rettungswagen im Pflegezentrum ein. «Herr Emmenegger kam nicht zum Mittagessen, obwohl er sonst sehr selbständig ist», berichtete die Pflegerin. Er sei auch Diabetiker und wegen einer Lungenentzündung im Spital gewesen. Das Notfallteam verlangte den Austrittsbericht, die Krankengeschichte und die Medikamentenliste. Es stellte beim Patienten eine Unterzuckerung fest, gab ihm Sauerstoff und eine Infusion, worauf sich der Blutzucker normalisierte. Während das Team noch weitere Abklärungen traf, fuhr die Gruppe zurück zum Haus an der Emme. Für die Studierenden und die fünf Mitglieder des Organisations-Komitees ging es weiter.  Auch am Sonntag waren sie im Einsatz. 

Das erste Stewi fand bereits 2012 statt. Inzwischen ist es zu einer Institution geworden.

11.05.2023 :: Bernadette Waser-Unternährer (wbe)