Viele Jäger und Jägerinnen leisten Hegeeinsätze. Hier entfernten die Vereinsmitglieder Brombeeren und verjüngten diese Hecke in Biglen. / Bild: zvg
Konolfingen: 100 Jahre – der Jägerverein Konolfingen kann feiern. Trotz viel Tradition hat sich im Jagdwesen auch viel verändert, wie das Gespräch mit dem jungen Jäger David Hofer und dem Routinier
Simon Zurflüh zeigt.
«Also, ich wurde in eine richtige Jägerfamilie hineingeboren», erzählt Simon Zurflüh. «Mein Vater ging auf die Jagd wie auch drei Onkel. Und heute jagt auch mein Sohn.» Vor 40 Jahren hat er sein erstes Patent gelöst, aber schon als Bub war er bei der Jagd dabei. «Unser Vater war recht streng. Aber während der Jagd war er lockerer», berichtet der heute 67-Jährige. «Und für uns war diese Zeit der Höhepunkt des Jahres. Ich erinnere mich, dass es stark schneite und richtig ‹grusig› kalt war. Ich und mein Bruder froren ‹das nüt eso›. Aber wir wollten nicht heim – wir hätten ja etwas verpassen können!» Noch heute sei die Jagd ganz klar das Hobby Nummer 1. «Die Natur, die Kameradschaft. Das ist schon super», meint Zurflüh und fügt an: «Und ich habe eine sehr rücksichtsvolle Frau. Sonst wäre das nicht gegangen, als ich noch im Erwerbsleben war.»
David Hofer legte die Jagdprüfung «erst» im Jahr 2020 ab. Sein Vater, Rudolf, amtet als Präsident des Jägervereins Konolfingen. Dann hat die Jagd wohl auch bei ihm Familientradition? «Eigentlich nicht», meint der heute 30-Jährige und lacht. Sein Vater sei erst vor sechs Jahren Jäger geworden. Der Sohn half ab und zu seinem Vater beim Lernen und packte auch bei Hegeeinsätzen mit an – schon war das Interesse geweckt. Wer das Jahresprogramm des Jägervereins studiert, merkt rasch, dass die Mitglieder nicht nur im Herbst aktiv sind: Kurse für Hunde, Schiessübungen, Hegeeinsätze, Orientierungsabende, gesellige Anlässe.
Steigender Frauenanteil
Die Jäger und Jägerinnen – die Frauen machen im Verein rund zehn Prozent aus – organisieren sich in Gruppen von maximal fünf Leuten. «Als Jungjäger hat man sofort Anschluss», sagt David Hofer. Viele Mitglieder sind in Simon Zurflühs Alter, Nachwuchs ist nötig. Besonders seit Corona interessieren sich vermehrt Leute für das Jagdwesen, die sich vorher weniger mit dem Thema beschäftigt haben. «Zu meiner Zeit kamen alle Jungen aus Jägerfamilien», berichtet Simon Zurflüh. «Und jagende Frauen waren sehr selten.» Vor 40 Jahren machten die Frauen im Verein lediglich ein Prozent aus. «Frauen können genau so gut jagen wie Männer», sind sich die beiden einig. Änderungen gibt es auch sonst immer wieder im Jagdwesen, selbst wenn das von aussen besehen nicht so scheint. Aktuell: Seit diesem Jahr ist die Baujagd auf den Fuchs verboten. Selbst Zurflüh, der selber stets Jagdhunde hielt und die Baujagd betrieben hat, kann dafür Verständnis aufbringen. «Oftmals kommt es im Bau zum Kampf zwischen Fuchs und Jagdhund, was natürlich brutal enden kann», sagt Zurflüh. In den Siebzigerjahren, als die Krankheit Tollwut unter den Füchsen grassierte, galt es, die Füchse zu dezimieren, egal wie. Heute dürfe der Fuchs unter anderen noch im Ansitz gejagt werden, erklärt David Hofer. Für einen Balg bekommt der Jäger heute einen Fünfliber. «Für schöne Bälge erhielt ich in den ersten Jahren 60 bis 80 Franken», erinnert sich Zurflüh, was erklärt, warum heute weit weniger Füchse erlegt werden.
Hartnäckige Klischees
Auch wenn heute die Baujagd verboten ist, steht die Jagd immer wieder in der Kritik. Gibts oft negative Reaktionen? «Eigentlich selten», sagt Simon Zurflüh und David Hofer ergänzt: «Ich denke, es ist gut, wenn man das Gespräch sucht. Beispielsweise, in dem man den Passanten erklärt, dass ein zu hoher Wildbestand dem Wald schadet und dass die Jäger auch Hegeeinsätze leisten und so der Natur helfen. Es gibt viel Unwissen und viele Klischees.» Zum Beispiel? «Dass sich die Jäger für wenig Geld ihre Tiefkühltruhe mit Fleisch füllen. Das ist überhaupt nicht so. Wenn man die Abgaben für zwei Rehe zusammenzählt, kommt man auf über 600 Franken und dann investiert man auch viel Zeit.» Braucht es nicht eine riesige Überwindung, um ein Tier töten zu können? «Bei meinem ersten Reh war ich so aufgeregt, dass ich abbrechen musste», berichtet Hofer. Worauf sein routinierter Jägerkollege sagt: «Das war genau richtig. Ich sage immer: Schiessen kann jeder, nicht schiessen ist viel schwieriger.»
Eine Tierart, die auch im Gebiet des Jägervereins Konolfingen nach langer Absenz wieder auftritt, ist der Hirsch. «Das ist schon ein imposantes Tier», meint Simon Zurflüh, welcher im Oberland bei der Hirschjagd dabei war. «Ich denke, dass die Bestände weiter steigen werden; genau gleich wie bei der Wildsau.» – «Man sieht ab und zu Trittsiegel, also Abrücke von durchstreifenden Wildsauen», fügt David Hofer an.
Umstrittener Wolf
Auch Raubtiere sind im Aufwind. «Dort, wo Luchse leben, sinken die Bestände von Reh und Gämse», hats Simon Zurflüh beispielsweise im Oberland erfahren. Und der Wolf? «Ich habe in unserem Gebiet schon einen beobachtet», berichtet David Hofer. Dass dieses Raubtier in Zukunft auch in der Region Konolfingen immer mehr anzutreffen sein wird, ist bei den beiden Jägern unbestritten. «Es ist der Lebensraum dieses Tiers», meint der junge Jäger. «Die Gegend ist sehr dicht besiedelt, da wird es unweigerlich zu Konflikten kommen.» Simon Zurflüh kann manchmal das «Theater», das um den Wolf veranstaltet werde, nicht verstehen. «Der Wolf ist nicht vom Aussterben bedroht, aber er geniesst einen sehr hohen Schutz und verursacht enorme Kosten, während andere Tiere einfach von der Bildfläche verschwinden.»
Der Wolf, aber sicher auch andere Geschichten rund um die Jagd, werden sicher am Jubiläumsanlass kommende Woche diskutiert, den der Jägerverein Konolfingen mit Gästen begeht. «Es ist immer schön, die anderen Jäger zu sehen», sagt Simon Zurflüh. Und schön sei auch zu sehen, dass Junge nachkommen und dass es weitergehe.