Neugierige Blicke erwünscht

In einer Kunstausstellung vor einem tollen Bild zu stehen, kann schon ungemein anregend sein. Noch spannender gestalten sich sogenannte Live-Art-Veranstaltungen, bei denen das Publikum im Laufe eines Tages miterleben kann, wie eine Künstlerin oder ein Künstler in höchster Konzentration ein Werk erschafft.

Live-Art nach Langnau bringen

Die Live-Art-Session in der Kupferschmiede am Wochenende machte es vor: 22 Kunstschaffende bevölkerten den grossen Saal samt einer Staffelei, die sie gestellt bekamen. Farben aller Art, Gerätschaften und sonstiges Equipment brachte jede und jeder selbst mit, um in acht Stunden ein Bild zu kreieren. Eine dynamische und lebendige Atmosphäre schaffte die unaufdringliche Hip-Hop- und Popmusik aus den Lautsprechern. 

Die Idee für diese Kunst-Performance hatten Jacqueline Maurer, Michael Beutler und Mike Brechbühl, die es beim Zusammensitzen bedauerten, dass seit Corona diese Art von Kunst-Event offenbar gestorben war. Schnell gründeten sie ein OK mit dem Ziel, Live-Art nach Langnau zu bringen. Sie schrieben die Live-Art-Session aus und erhielten 40 Bewerbungen von Kunstschaffenden mit Werkbeispielen – aus der Region und der ganzen Schweiz. Insgesamt 22 Teilnahmewillige wählte das OK aus, wobei es ihm wichtig war, eine möglichst vielseitige Mischung, von der Illustration bis zur freien Kunst, zusammenzubringen. Die Künstlerinnen und Künstler waren in ihrer Themenwahl und ihrer Technik völlig frei. 

«Ohne die Unterstützung der Gemeinde Langnau und der Sponsoren, die sich um die Elektrik kümmerten oder das Abdeckmaterial gespendet haben, wäre es nicht gegangen», berichtete Mike Brechbühl. Zudem seien 25 ehrenamtliche Helfende im Einsatz gestanden.

Diesmal nicht im stillen Kämmerlein

Staffelei an Staffelei arbeiteten die Teilnehmenden im Saal oder auch draussen hinter dem Gebäude an ihren Bildern, als ob es keine Aussenwelt gäbe. Einzelne Künstler anzusprechen, wagte kaum jemand, denn das hätte bedeutet, sie aus ihrer Welt zu reissen. Wenn man bedenkt, dass sie sonst im stillen Kämmerlein ihrer Kunst nachgehen, war es für viele der Teilnehmenden eine echte Herausforderung, sich von vielen Menschen über die Schulter schauen zu lassen. Doch die Aufregung legte sich nach und nach. Mit Spraydosen, Acrylfarben, Stiften, Farb-Rollern oder Spachtel entstanden kleine Welten auf Leinwand. Frauenporträt, liegende Kuh auf der Weide mit Alpenpanorama, Comic-Kunst, Planet vor schwarzem Hintergrund, fledermausohriger Hund mit Espresso-Kanne, Tigerkopf, Eisvogel… Mit von der Partie war auch der bekannte Langnauer Musiker und Künstler Schmidi Schmidhauser, der ein politisches Statement zu Papier brachte mit einem sich umarmenden Paar, das die Ukraine und Russland darstellte. Die Langnauerin Laila Luisi präsentierte ein schwarz-oranges Kunstwerk mit kalligrafischen Botschaften.

Das Publikum kürte den Sieger 

Die rund 500 Besucherinnen und Besucher setzten sich aus Pärchen, Einzelpersonen und Familien mit kleineren Kindern zusammen, was bewies, dass solch eine Veranstaltung für jedes Alter etwas bereithält. Für die Kleinen gab es eine Ecke, in der sie sich selbst künstlerisch betätigen konnten. Mit der Eintrittskarte bekamen die Live-Art-Gäste gleichzeitig einen Stimmzettel, mit dem sie ihr Lieblingsbild wählen konnten.

Am Samstagabend wurde es spannend, als alle Stimmzettel ausgezählt waren. Die Sieger des Votings waren: Platz 1: Boris Chiaradia alias «Robis» aus Rubigen. Der Gewinner überzeugte durch einen hohen technischen Anspruch, knallige Farben und ein herziges Sujet mit französischer Bulldogge und Kaffeekanne. Platz 2: Karin Studer aus Zürich. Die Künstlerin präsentierte ein Tigerporträt in Schwarz-Weiss, das bestechend flauschig und lebendig wirkte. Platz 3: Martin Lehmann alias «ELF79» aus Langnau. Sein überdimensionaler Eisvogel-Ausschnitt schaute fast mahnend aus seinem Bild heraus. Bei der anschliessenden Auktion wurden nahezu alle 21 Bilder verkauft.