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Wie sich der Entlebucher Dialekt entwickelt hat

Wie sich der Entlebucher Dialekt entwickelt hat
Der Gedenkbrunnen der Escholzmatter für Franz Josef Stalder. / Bild: Bernadette Waser-Unternährer (wbe)
Entlebuch: Mit einem Vortrag über das Entlebucher Sprach­leben startete der Historische Verein Entlebuch in sein 100-Jahre-Jubiläum.

«Hier, an diesem historischen Ort, wurde vor 100 Jahren der Historische Verein Entlebuch gegründet.» Mit diesen Worten eröffnete Vereinspräsident Anton Schwingruber im Gasthof Bahnhof, Escholzmatt, die Frühlingsversammlung.

Die Sprachwissenschaftlerin Helen Christen aus Luzern, die selber Entlebucher Wurzeln hat, hielt ein Referat unter dem Titel Sprachleben zwischen Wolhusen und Marbach – gestern und heute. «Zuständig für die Sprache von vorgestern ist Franz Josef Stalder», sagte sie. Der bekannte Entlebucher Philologe kam im Alter von 35 Jahren als Pfarrer nach Escholzmatt, wo er 30 Jahre wirkte. In seinem zweibändigen Werk «Fragmente über Entlebuch» von 1797/98 schrieb er den Entlebuchern einen eigenen Nationalcharakter und Freiheitssinn zu. Ihre Sprache betrachtete er aber als «grammatikalische Sünde». Später urteilt er sanfter und bezeichnete die Mundart als eine Verbindung zu früheren Sprachen und lobte das lange A der Entlebucher. So wurde er zum Gründervater der Entlebucher Sprache. Dem Gelehrten und Seelsorger «Hochw. Herrn Dekan F. J. Stalder» als Schöpfer des ersten Schweizerischen Idiotikons (Mundart-Wörterbuchs) setzte Escholzmatt 1947 mit seinem Dorfbrunnen ein Denkmal.


Drei Sprachgebiete im Kanton

Als Vertreter der Luzerner Aufklärung war Stalder Mitglied der Helvetischen Gesellschaft, auf dessen Netzwerk er zurückgreifen konnte. Der Satz «Ein Vater hatte zwei Söhne» aus der Parabel vom verlorenen Sohn wurde im Luzerner Dialekt «S´hed e Maa zwö Sühn gha» übersetzt, im Entlebuch mit «S´isch emal en Ätti gsi, dä hed zwee Buobe ghaa». Den Kanton Luzern teilte Stalder in die drei Sprachgebiete Entlebuch, Weggis und Gäu ein mit dem Dialekt für die Stadt Luzern und Umgebung und einem eigenen für das Entlebuch. Er schrieb, die «Totalverschiedenheit der Kleidungsart der Einwohner im Entlebuch» gegenüber den übrigen Regionen ziehe «eine dreyfache Verschiedenheit» der Mundarten und Idiotismen (Spracheigentümlichkeiten) nach sich. So wies er den Entlebuchern einen eigenen, deutschen Dialekt zu, der sich auch an die Mundart der Nachbarn angleiche und Richtung Bern bernischer werde.

Renward Brandstetter (1860-1942), Philologe und Dialektologe der Schweizer und Luzerner Mundart, sprach 100 Jahre später mit Ausnahme des Entlebuchs von nur einem Luzerner Dialekt.


Ätti in Marbach

Die Mitte des 20. Jahrhunderts im Entlebuch von Wolhusen bis Marbach durchgeführten umfangreichen Befragungen konnten das Wort Ätti für Vater nur noch in Marbach nachweisen. Dafür kamen neue Wörter wie Baba und Dädi aus anderen Schweizer Gegenden dazu. Und in der luzerndeutschen Grammatik von 1960 wurden fremde Einflüsse festgestellt, welche die Sprache des Entlebuchs trüben. Unverändert bestehen blieben jedoch das lange A und das «geit» statt «good». Diese spezielle Form fand man auch bei 30 weiteren gebräuchlichen Verben.


Lange Laute

Anhand eines Textes des Escholzmatter Radiomoderators Peter Portmann im Regionaljournal Zentralschweiz von 2008 untersuchte Helen Christen die heutige Entlebucher Sprache. Sie konnte darin keinen eigenständigen Entlebucher Wortschatz mehr finden. Die von Franz Josef Stalder festgestellten langen Laute Aa, Ee, Oo kamen bei Peter Portmann aber immer noch vor. Auch die Formenbildung «geit, fraag, laa, Vercheer, Hoochschuel, ds´Lusöörnfestival» blieb unverändert. Aber das Sprachleben sei ein anderes und die Kleidung nicht mehr wie zu Stalders Zeiten, sagte Christen.

«Bis woo good de Wind? Bis uf Wouhuse. Vo det aa geit er.» Das gilt bis heute. Auch bei den Ausgewanderten «geit» der Wind noch. «Der allgemeine Wortschatz gleicht sich im 21. Jahrhundert an. Aber Formen und Laute bleiben erhalten», stellte die Referentin zum Schluss fest.

13.04.2023 :: Bernadette Waser-Unternährer (wbe)