Das Ukrainische Rote Kreuz verteilt Lebensmittel an Betroffene des Krieges. / Bild: IFRC
Zäziwil: Zweimal war Marianne Casagrande für das SRK in der Ukraine. Sie ist dafür verantwortlich, dass die Spendengelder dorthin gelangen, wo sie tatsächlich gebraucht werden.
Noch heute hat Marianne Casagrande auf ihrem Handy die Alarm-Apps, die sie in der Ukraine genutzt hat. «In Kiew ist derzeit kein Alarm», erklärt sie und öffnet eine Karte des Landes. An zwei Orten ist ein Symbol für Explosionen zu sehen. Mehrere Regionen im Osten sind rot eingefärbt. «Dort gibt es momentan Sirenenalarm.» Als die Zäziwilerin im Februar für das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) in Kiew war, erlebte sie mehrere Luftalarme. «Bei Stufe gelb heisst es abwarten», erzählt sie. Bei Orange müsse man darauf achten, ob Explosionen zu hören seien. In diesem Fall gelte es, einen Schutzraum aufzusuchen. Dies habe sie einmal erlebt. «Bei Stufe rot muss man sich sofort in einen Bunker begeben.» Schlimm seien die Alarme in der Nacht. Diese hätten sich in der letzten Zeit gehäuft.
Hilfe soll nachhaltig sein
Marianne Casagrande besuchte bei ihren bislang zwei Dienstreisen in das kriegsversehrte Land jeweils lokale Büros des SRK. Als Finance Officer verwaltet sie die Spendengelder für die Ukraine und ist dafür verantwortlich, dass diese auch tatsächlich dorthin gelangen, wo sie gebraucht werden. Im letzten Jahr waren das rund zwölf Millionen Franken. «Wir fokussieren uns auf Projekte in den Bereichen Unterkünfte, finanzielle Hilfe und ältere Menschen», erklärt die 44-Jährige. Dies in drei Regionen. Dabei würden sie eng mit dem Ukrainischen Roten Kreuz zusammenarbeiten. Das Ziel sei es, den Partner so weit zu unterstützen und zu stärken, dass er die Aktivitäten später selbständig weiterführen könne. Nur so sei die Hilfe nachhaltig.
Als Finance Officer ist Marianne Casagrande nicht direkt mit den Bedürftigen in Kontakt. Sie arbeitet im administrativen Bereich. «Ich unterstütze die Finanzverantwortlichen vor Ort beim Budgetieren, beim Analysieren oder bei der Buchhaltung», nennt sie einige ihrer Aufgaben. Und es gehe auch darum, ein internes Kontrollsystem aufzubauen.
Strategien gegen Korruption
Kontrollmechanismen sind ein wichtiges Instrument, um nicht Opfer von Korruption zu werden. Diese ist auch in der Ukraine ein grosses Thema. Das Land ist auf dem Korruptionsindex von Transparency International weit hinten, auf Rang 122 von 180. Doch es gibt Fortschritte: Noch 2011 belegte die Ukraine Platz 152. Um das Risiko, dass Gelder abgezweigt werden, gering zu halten, zahlt das SRK nicht grosse Beträge aus. «Das Geld liegt auf einem Konto in Kiew. Die Projektleiter in den Regionen erstellen ein Drei-Monats-Budget. Jeden Monat müssen sie eine Abrechnung vorlegen und aufzeigen, wie viel Geld noch vorhanden ist und wie viel sie benötigen. Erst dann werden die monatlichen Zahlungen ausgelöst», erklärt Marianne Casagrande den Ablauf. Zudem gebe es mehrere externe Kontrollen in den einzelnen Büros.
Leben in einer neuen Normalität
Mit Korruption sei sie noch nie direkt konfrontiert gewesen, sagt die SRK-Mitarbeiterin. Wohl aber mit der Not der Menschen, die alles verloren haben, und mit deren grossen Angst um Angehörige. Sie sei beeindruckt, wie die Menschen in der Ukraine damit umgehen würden. «Sie haben zu einer neuen Normalität gefunden und lassen sich nicht unterkriegen. Auch nicht von den ständigen Alarmen. Wird etwas zerstört, räumen sie auf und bauen es wieder auf.» Auch sie selber hat eine Strategie entwickelt, wie sie mit dem Leid umgehen kann. «Ich suche das Schöne, das es trotzdem gibt.» Zum Beispiel besucht sie eine Kirche oder einen Park. Davon macht sie Fotos, als Gegengewicht zu den Bildern der Zerstörung – und den Alarm-Apps auf dem Handy.