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Bye, Bye «Zahnbürschtli»

Ich bin eine Wegwerf-Mutter in einer Wegwerf-Gesellschaft. Letztens wurde es mir knallhart und doch Herz ­zerreissend von meiner zweijährigen Tochter aufgezeigt. 

Ihr erstes «Zahnbürschtli» hat ausgedient. Voller Freude kaufen wir da ein neues. Begeistert hat sie sich eines mit einem Bären darauf ausgesucht. Zu Hause reisse ich es aus der Verpackung und gebe es ihr hin. Die Ver­packung schmeisse ich in den Kübel. Bis dahin ist mein Verhalten als ­Wegwerf-Mutter noch akzeptabel. ­Zumindest hat es keine Reaktion
von meinem Töchterchen auf diesen ­Wegwerf-Vorgang gegeben.

 

Sie begrüsst also freudig ihre nigelnagelneue Zahnbürste. Steckt sie einmal in den Mund. Schaut sie liebevoll an. Fährt einmal ganz hygienisch und frei nach dem Motto «Meh Dräck» über alle Oberflächen damit und steckt sie wieder in den Mund. 

Für mich läuft alles soweit nach Plan. Ohne mir auch nur einen Gedanken zu machen, werfe ich das alte «Zahnbürschtli» in das kleine Badezimmer-Kübelchen, der Verpackung der neuen Zahnbürste hinterher.  «Peng!» Deckel zu. Die Sache wäre für mich hier erledigt gewesen.

Aber nicht so für meine Tochter, deren Seele nicht so abgestumpft wie meine ist.  Geschockt schaut sie mich mit ihren grossen, blauen Augen an. Dann geht sie zum Mülleimer, wo ich vorher ihr altes «Zahnbürschtli» achtlos weggeworfen habe. Sie öffnet den Deckel und schaut hinein. Liebevoll grübelt sie das «Zahnbürschtli» zwischen dem Abfall wieder heraus. Sie schaut es nochmals sanft an und gibt ihm einen zärtlichen Kuss. 


Gerührt drücke ich mir eine Träne weg, und beruhige mich mit der ­Tatsache, dass es sich hier ja nur um
eine Zahnbürste handelt.  

Als sie das «Zahnbürschtli» dann in den Kübel zurücklegt und «Bye Bye» sagt, bevor sie den Deckel langsam schliesst, da komme ich mir definitiv vor wie eine hart gewordene Erwachsene, ohne Sinn für echte Verbindung und Liebe. 


Das kann ich so nicht auf mir sitzen lassen. 

So fasse ich mir ein Herz und gehe, unter strenger Beobachtung meiner Tochter, zum Abfallkübel, schaue hinein und sage so gefühlsvoll wie möglich: «Bye Bye, Zahnbürschtli.» 

23.03.2023 :: Fabienne Diessel-Krähenbühl