Mit 88 zum 50. Mal über 42 Kilometer

Mit 88 zum 50. Mal über 42 Kilometer
2023: Heinrich Kellenberger daheim in Langnau mit der Startnummer und dem Zieleingangsstempel. / Bild: Daniel Schweizer (sdl)
Langlauf: Heinrich Kellenberger hat Jahrgang 1935 – und absolvierte soeben seinen 50. Engadiner Skimarathon. Der Langnauer berichtet am Tag danach, wie er den Lauf erlebt hat.

Nach dem Frühstück gehts für den 88-jährigen Heinrich Kellenberger mit dem Bus nach Maloja, an den Start des Engandiner Skimarathons. Er ist einer von mehr als 14´000 Läuferinnen und Läufern – und nimmt an diesem Sonntag zum 50. Mal am Volkslauf teil. Damit gehört Kellenberger zur Gruppe der sogenannten «Giubilers», zu deutsch «Jubilare». Diesen Titel erhalten alle, die mindestens 40 Teilnahmen verzeichnen.

Ein Privileg der «Giubilers» ist, dass sie sich nicht im Warteraum auf dem Startgelände umziehen und dort bis zum Start in der Kälte ausharren müssen. So macht es sich auch Kellenberger im Hotel in Maloja bequem, zieht sich dort in aller Ruhe um und begibt sich um halb neun auf die Strecke.


Ohne Sturz

Heinrich Kellenberger ist im klassischen Stil unterwegs. Wegen teils gefrorenem Schnee hat er auch Klister aufgetragen. Die ersten Seen sind eine reine Eisbahn, da gehts im Doppelstock zügig voran. Kellenberger fühlt sich gut, nimmts aber auch gemütlich. Wegen Schneemangels führt die Strecke erstmals über den St. Moritzersee. Kurz vorher kommt es zu einem halbstündigen Stau, weil lediglich zwei Spuren zur Verfügung stehen. Kellenberger lässt sich nicht stressen und freut sich, wegen dieses Staus im Stazerwald auf weniger Läufer zu treffen. Heuer also kein Pro­blem auf diesem sturzträchtigen Abschnitt. 

Ab Pontresina laufen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur noch auf Kunstschnee, eine weisse Spur in brauner Landschaft. Hier fühlt sich Heinrich Kellenberger weniger wohl. Er vermisst die winterliche Idylle. Noch nie habe er so wenig Schnee gesehen wie dieses Jahr, erklärt er. Nach fünfeinhalb Stunden der Zieleinlauf in S-chanf. Mit dem Stempel «Ziel erreicht» auf der Startnummer sowie der Medaille um den Hals gehängt, gehts mit dem Zug zurück in die Unterkunft. Seinen Jubiläumslauf feiert Kellenberger bei einem feinen Essen mit einem Glas Wein.


Mit Genuss

Die Trainingsbedingungen seien, erzählt Heinrich Kellenberger am nächsten Tag, sehr schlecht gewesen. Er habe nur wenige Stunden auf den Loipen in Trub sowie im Salwideli trainieren können. Die fehlenden Trainingskilometer habe er mit viel zügigem Laufen kompensiert. Aber offensichtlich habe das genügt. Er habe das Ziel ohne Probleme erreicht und leide heute nicht an Muskelkater. Und sein Ziel sei es ja gewesen, den Jubiläumslauf zu geniessen.

Früher sei er noch viel kompetitiver unterwegs gewesen, so Kellenberger. Da hätten auch Volksläufe im Ausland auf dem Programm gestanden. Zum Beispiel der Finlandia-Hiihto, der grösste Skimarathon Finnlands. Der Vasalauf, mit 90 Kilometern der längste klassische Skimarathon der Welt. Sowie das Birkebeinerrennet in Norwegen. Dank seiner früheren Tätigkeit als Physiotherapeut in Langnau – er betreute in dieser Zeit auch die Spieler des damals überaus erfolgreichen SC Langnau – habe sich ein grosser Kollegenkreis aufgebaut. Gemeinsam als Gruppe hätten sie dann jeweils diese volksportlichen Grossanlässe in Angriff genommen.


Ohne Bart

«Jetzt muss nur noch der Bart weg», meint Heinrich Kellenberger zum Schluss. Jeweils ab dem Neujahrstag lasse er sich diesen wachsen – als optimalen Schutz gegen die Kälte. Nach der Erfahrung im kalten Norden habe er das immer so gehandhabt. Ob er nächstes Jahr wieder antrete, weiss er im Moment noch nicht. Das hänge von den Schneeverhältnissen ab. Noch einmal fast nur Kunstschnee in trostloser Landschaft, das tue er sich nicht an.

16.03.2023 :: Daniel Schweizer (sdl)