Regisseur Martin Schilt – der Botschafter der Krähen

Regisseur Martin Schilt –  der Botschafter der Krähen
Krähen und andere Rabenvögel sind die Hauptprotagonisten im neuen Film von Martin Schilt. / Bild: zvg
Langnau: Wo Menschen leben, tummeln sich Krähen, was immer wieder zu Konflikten führt. Dass die schwarzen Gesellen mehr zu bieten haben als Lärm und ­Unordnung, zeigt ein neuer Film.

Krähen sind erfinderisch. Das beweist der Langnauer Filmemacher Martin Schilt mit seinem Film «Krähen. Nature is watching us». Über die Zeit von zehn Jahren hat er mit dem Kameramann Attila Boa, der Kamerafrau Karen Vasquez und dem Tonmeister Andreas Hagemann die halbe Welt bereist. Sie haben Wissenschaftler besucht, Experimente mit Krähen aufgezeichnet, mit Bauern gesprochen und Kräheneltern bei der Aufzucht in ihrem natürlichen Umfeld gefilmt. Schilt ist in der Zeit zum Experten und Botschafter der Krähen geworden. Im Gespräch sprudelt es nur so aus ihm heraus.


Klug

«Krähen haben ein überdurchschnittlich grosses Hirn im Verhältnis zum Körper, ähnlich wie der Mensch», sagt Schilt. Sie zählten zu den Singvögeln. «Sie sind Allesfresser, aber nicht imstande, ein Beutetier zu verfolgen und zu töten.» Dazu fehlten ihnen die Geschicklichkeit eines Falken und die Krallen eines Adlers. Wie kommen Krähen trotzdem an frisches Fleisch? Sie begleiten und verfolgen Jäger auf der Jagd. Es wurde sogar beobachtet, wie Krähen Wolfsrudel zur Beute lotsten. Am Ende fiel frisches Fleisch für die Krähen ab. In früheren Zeiten führten Krähen Menschen, die sich auf die Jagd begaben, zur Beute. Diese lose, unverbindliche Zusammenarbeit ist mit ein Grund, weshalb Krähen in allen indigenen Völkern bis heute ein hohes Ansehen geniessen.

Den modernen Menschen sind die Krähen lästig. Sie plündern Abfalleimer, hinterlassen Dreck auf dem Trottoir, picken die Saat aus den Äckern und machen Lärm. Das ist praktisch überall so, denn wo Menschen leben – auch mitten in Ballungszentren –, tummeln sich Krähen. Sie werden vertrieben, geschossen oder vergiftet. «Vergrämungsaktionen sind meistens erfolglos», weiss Martin Schilt. Krähen seien neugierig und klug, ja ge­radezu erfinderisch, wenn es darum gehe, sich anzupassen oder an die Reste zu gelangen, die der Mensch an allen erdenklichen Orten hinterlasse.


Neugierig

Er und seine Kameraleute hätten lange gebraucht, bis es ihnen gelungen sei, Krähen in ihrer vertrauten Umgebung zu filmen, erklärt der Filmemacher. Sobald sie die Mikrofone aufstellten und die Kamera auspackten, hätten sich die Krähen nur noch für sie interessiert. «Wenn wir abends die Aufnahmen ansahen, bekamen wir den Eindruck, die Krähen hätten sich über uns amüsiert», so Schilt. Die Tiere hätten sich weder überlisten noch ködern lassen. Erst nach langjähriger Gewöhnung und extrem guter Tarnung seien ihnen Aufnahmen gelungen, die zeigten, wie Krähen sich in ihrer Kolonie verhalten.


Gespiegelt 

Schilts Sohn brachte seinen Vater vor zehn Jahren auf die Idee, einen Film über Krähen zu drehen. In den Jahren ist eine riesige Menge Filmmaterial zusammengekommen. Der Film ist so etwas wie die Essenz von allem. Zum Schluss sagt Schilt: «Krähen sind keine Opfer menschlicher Fehlentwicklungen. Sie sind vielmehr unsere schwarzen Chronisten und halten uns einen Spiegel vor. Wenn die Menschen, die den Film sehen, neue Sympathie für sie entwickeln und ihnen mehr Respekt erweisen, dann sind wir am Ziel.»

16.03.2023 :: Gabriel Anwander (agl)