Emmentalwärts: Licht am Ende des Tunnels

Emmentalwärts: Licht am Ende des Tunnels
Das Berner Stimmvolk hiess die Verkehrssanierung «Emmentalwärts» gut – samt Tunnel wie in Worb. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Emmental: Die Bauarbeiten für die Verkehrssanierung «Emmentalwärts» werden trotz dem Ja des Stimmvolks frühestens 2025 beginnen. Beschwerden könnten den Start noch verzögern.

Das Resultat ist klarer als erwartet: 56,9 Prozent sagten Ja – 43,1 Prozent Nein. Die Verkehrssanierung Burgdorf-Oberburg-Hasle wird zudem in allen Verwaltungskreisen des Kantons Bern gutgeheissen, wenn mancherorts auch knapp. So lautete das Resultat in der Region Bern-Mittelland 50,1 Ja  gegenüber 49,9 Nein. Die Stadt Bern lehnte das Vorhaben mit 62,7 Prozent Nein-Stimmen klar ab. Hoch war die Zustimmung erwartungsgemäss im Emmental: 74,4 Prozent sagten Ja. Es waren aber weder Burgdorf noch Oberburg oder Hasle, die am klarsten Ja sagte, sondern Rüegsau mit 87,1 Prozent. Tief war indes die Stimmbeteiligung, über den ganzen Kanton gesehen, lediglich bei gut 30 Prozent. 


Regierungsrat Christoph Neuhaus,
war die tiefe Stimmbeteiligung ein Vorteil für «Emmentalwärts»? 

Sie war sicher nicht hinderlich. Durch die insgesamt tiefe Beteiligung konnte das Emmental mit seinen Stimmen mehr bewirken. Dass das Emmentaler Verkehrsprojekt letztlich recht klar gutgeheissen wurde, liegt sicher auch daran, dass die betroffene Region wie eine Wand hinter dem Vorhaben steht.   


Der 314-Millionen-Kredit ist genehmigt. Wann starten die Bauarbeiten?

Das wird frühestens im Jahr 2025 sein. Die Planungsarbeiten schreiten gut voran. Zu Verzögerungen könnte es wegen Einsprachen kommen. Als der Strassenplan auflag, gingen total 77 Einsprachen ein, davon konnten wir uns in 70 Fällen gütlich einigen. Inhaltlich ging es um verschiedenste Dinge: Eine Strassenlampe verschieben, die Zufahrt auf ein Grundstück anpassen – solche Sachen halt.


Waren Sie selber auch vor Ort, um zu verhandeln?

Bei ein paar wenigen Einsprachen schon.  


Wo konnte keine Einigung erzielt werden? 

Inhaltlich kann ich zu den sieben Beschwerden, die nun von der Direktion für Inneres und Justiz behandelt werden, keine Details sagen. Nur so viel: Teilweise geht es um fundamentalen Widerstand. Umweltverbände haben ja bereits kundgetan, dass sie das Vorhaben bis vor Bundesgericht bekämpfen wollen. Diese Verfahren könnten den Baustart verzögern.

 

Die Bauarbeiten werden rund zehn Jahre dauern. Wo wird man starten?

Auch das ist wegen der Beschwerden noch nicht klar. Es ist möglich, dass gewisse Etappen bereits realisiert werden können, während andere noch warten müssen. Die Arbeiten werden sowieso in verschiedenen Losen vergeben werden. 


Was werden die Herausforderungen beim Bau sein? 

Anspruchsvoll wird etwa der Bau der Unterführungen bei den Bahnübergängen. Diese werden im Betrieb erstellt. Das heisst also, dass stets Züge verkehren werden. 


Alle Verkehrsteilnehmer werden mit Behinderungen zu rechnen haben.

Man wird sicher versuchen, die Störungen möglichst gering zu halten. Aber es ist klar: Es wird zu Behinderungen kommen. Aber immerhin kann man sich freuen, dass sich die Situation am Ende verbessern wird.

Eine lange Geschichte über Tunnel, Varianten und Geld

Die Anfänge: Das Emmental solle einen Autobahnzubringer erhalten, lautet Ende der Sechzigerjahre die Losung,

als viele Nationalstrassen gebaut wurden. Das Vorhaben wurde aber, wie andere im Kanton Bern auch, nie realisiert.

Das Verkehrsaufkommen (ÖV wie Strasse) stieg aber stetig.


2001 entscheidet der Bund, die Agglomerationen bei der Lösung ihrer Verkehrsprobleme zu unterstützen.

Daraufhin lässt der Kanton Bern eine Gesamtverkehrsstudie für die Region Burgdorf auszuarbeiten, die er 2004

der Öffentlichkeit vorstellt. Das Papier sieht verschiedenste Massnahmen vor.

Von Anfang an umstritten ist der Schlossbergtunnel in Burgdorf. Kritisiert wird auch, dass die Studie die Probleme

in den Dörfern, etwa Oberburg oder Hasle, nicht beleuchte. 

2007 stellt der Regierungsrat eine «Zweckmässigkeitsbeurteilung für die Verkehrserschliessung des Emmentals» vor.

Diese umfasst nun auch Oberburg und Hasle. «Die Bewertung zeigt, dass langfristig eine Westumfahrung

von Burgdorf kombiniert mit einem kurzen Tunnel in Oberburg die beste Lösung ist», lautet das Fazit.

Gleichzeitig wird eine Variante «Null+» erarbeitet.


2016 legt der Kanton Bern detaillierte Pläne auf zu den Varianten «Umfahrung der Ortszentren von Burgdorf,

Oberburg und Hasle» sowie der Variante «Null+», welche eine Optimierung der bestehenden Strassen vorsieht.

Die Mitwirkung stösst auf grosses Interesse, fast 4000 Eingaben werden gezählt. Der Tenor: In Burgdorf soll das

bestehende Strassennetz optimiert werden und für Oberburg und Hasle fordert eine deutliche Mehrheit (68 Prozent)

Umfahrungslösungen. 


2018 dreht sich die Debatte bei «Emmentalwärts» vor allem um Geld. Der Kanton Bern verlangt für das

gesamte Projekt eine Beteiligung des Bundes – der Bundesrat hingegen will lediglich die Massnahmen in Burgdorf

mitfinanzieren. Dazu stellt er 19 Millionen Franken in Aussicht – für das ganze Projekt wären es 96 Millionen.


2019 beschäftigen sich die eidgenössischen Räte mit der Finanzierungsfrage – und finden nach langem

Ringen eine Lösung: Das gesamte Projekt soll in den Genuss von Bundesgeldern kommen. 


2020 liegen die detaillierten Pläne auf. Dazu gehen bis Anfang 2021 insgesamt 77 Einsprachen ein.

In einer ersten Runde können 46 davon bereinigt werden.


2022 genehmigt der Grosse Rat den 314-Millionen-Kredit für «Emmentalwärts».

Das Resultat lautet: 86 Ja zu 62 Nein. Gegen diesen Entscheid – wie auch gegen den Kredit für die Verkehrssanierung

Aarwangen – wird das Referendum ergriffen. Das Berner Stimmvolk spricht sich am 12. März 2023 für die Projekte aus.

«Widerspruch zum Klimaabkommen»

Das vorliegende Projekt bringe eine Kapazitätserweiterung und damit mehr motorisierten Verkehr, sagt Jan Remund, Präsident des VCS Bern. Der Verband hat in Absprache mit Umweltverbänden eine Beschwerde gegen das Verkehrsprojekt Burgdorf-Oberburg-Hasle eingereicht. «Aus unserer Sicht widerspricht das Vorhaben dem Klimaschutz, der ja in der Kantonsverfassung verankert ist.» 

Weiter wolle der VCS erreichen, dass für den Bau des Tunnels in Oberburg umfangreichere Abklärungen vorgenommen werden müssen. «Wir haben von Anfang an kommuniziert: Wenn man eine rasche Lösung will, sollte man nicht auf einen Tunnel setzen», sagt Remund. 

Hat er auch Verständnis für die betroffene Bevölkerung? «Es braucht eine Ortssanierung in Oberburg», sagt der VCS-Präsident. «Es braucht aber auch einen Ausbau des ÖV und den Klimaschutz.

16.03.2023 :: Bruno Zürcher (zue)