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Herr Pfarrer ...

«Herr Pfarrer, letzte Nacht musste ich mit dem Herrgott so laut schimpfen, dass die Nachbarin heute Morgen fragte, ob ich Besuch hatte und ob alles in Ordnung sei. Nein, es ist nicht in Ordnung. Warum musste er mir meinen Mann wegnehmen, den ich so liebte, der alles war, was ich hatte? Warum tut der solches?»

«Ja, das können wir nicht verstehen.»  

«Aber finden Sie das denn richtig? Gott sollte doch gerecht sein, er will ja auch, dass wir gerecht sind. Aber dann sollte er mit dem guten Beispiel vorangehen. Und das, was er getan hat, ist nicht gerecht.»  «Das stimmt, das ist nicht gerecht.» 

«Sie finden das auch? Das erstaunt mich jetzt ein wenig vom Pfarrer. Sie müssen doch an Gott glauben, schon von Amtes wegen, oder nicht?» ­

«Aber ich muss nicht glauben, dass er gerecht ist, ich ­verstehe vieles ja auch nicht, Auschwitz und Butscha und Antakya. Da frage ich mich auch, wo Gott war.»  
«Und, wo war er da?» 

«Er war da und hat mit jedem einzelnen Menschen gelitten und ist mit jedem gestorben.» «Auch mit meinem Mann?» «Auch mit Ihrem Mann. Und er leidet auch mit Ihnen mit.» 

«Aber warum tut er das? Warum schafft er das Böse nicht aus der Welt? Er könnte das doch, wenn er nur wollte!»  «Keine Ahnung, ob er nicht kann oder nicht will. Das werden wir wohl nie verstehen.»  «Aber wozu glauben wir dann noch? Es nützt ja doch nichts.» «Weil wir nicht anders können. Wir sind Menschen.» 

«Doch, ich könnte sagen: Ich glaube nicht mehr an dich, lass mich in Ruhe!» 

«Würde sich dann etwas ändern am Tod Ihres Mannes und an Butscha und Antakya?» 

«Hm, nein.» 

«Und Sie hätten dann auch niemanden mehr, mit dem Sie laut schimpfen könnten.» 

«Ja, aber wenn es doch nichts nützt.»

«Doch, es nützt. Es verändert nicht die Wirklichkeit, aber es verändert Sie selber. Und irgendwann werden Sie sagen können: Doch, es war gut.»

02.03.2023 :: Samuel Burger