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Über das Loslassen

Mittlerweile pfeifen es die Spatzen von allen Hausdächern: Der Leu beendet seine Tätigkeit als künstlerischer Leiter der Kulturfabrik in Biglen. Und schier täglich werden seither die gleichen oder ähnlichen Fragen an ihn gestellt: «Aber Du hast doch diesen Veranstaltungsort gegründet und aufgebaut, kannst Du da einfach so loslassen?» Oder: «Wirst Du Deine Nachfolgerin machen lassen ohne Dich ständig über einen allfälligen Stilwechsel zu ärgern, oder ihr gar ungefragt Ratschläge zu erteilen?»

Nein, ich werde loslassen können, ich habe diesbezüglich schon früh gemerkt, was es heisst, Abschied zu ­nehmen. Abschied von Menschen, von Tieren, aber auch von Ideen und ­Tätigkeiten.

Ich bin in einer Handwerker-Familie, zudem in einem Mehrgenerationenhaus aufgewachsen. Mein Grossvater hatte im selben Haus sein Geschäft, eine Sattlerei, eingerichtet. Mein Vater erlernte den Beruf des Sattler-Tapezierers und wurde logischerweise der Nachfolger meines Grossvaters. Aber die Geschäftsübergabe verlief natürlich nicht ganz ohne Nebengeräusche. Ich erinnere mich gut an Grossvaters Mimik, wenn er mitanschauen musste, wie sein Sohn beispielsweise eine Rosshaarmatratze (gibts sowas heute eigentlich überhaupt noch?) halt ein bisschen anders auffrischte, als er es selber jahrelang getan hatte…

Das Loslassen musste ich aber dann doch selber lernen, beispielsweise wenn ich mich nach monatelanger Zeit intensiver Theaterproben und erfolgreicher Vorstellungen von einem Ensemble trennen musste. 

Nun werde ich eine Art Lebenswerk in jüngere Hände übergeben, bin ­inzwischen aber sicher, dass ich ohne Mühe loslassen können werde. Nicht zuletzt, weil bereits wieder neue und spannende Projekte und Herausforderungen auf mich warten.

Zugegeben, das Loslassen ist nicht in jeder Situation das richtige Rezept. Auch diesbezüglich habe ich meine, teils schmerzlichen, Erfahrungen gemacht. Einmal zum Beispiel, als ich bei einer Fahrt vom Dentenberg ­hinunter todesmutig den Lenker des Fahrrads losgelassen habe. Das war ein höchst ungesundes Loslassen.

Noch weiter zurück liegen die ersten negativen Erlebnisse bezüglich des Loslassens. Meine ersten Steh- und Gehversuche unternahm ich im Gefängnis, Laufgitter genannt. Aber wehe, ich liess kühn die Gitterstäbe los, an denen ich mich mühsam hochgezogen hatte um endlich auf zwei Beinen zu stehen…

Sie sehen: Loslassen ist nicht in jedem Fall empfehlenswert!

16.02.2023 :: Peter Leu