Der Mann hinter der Coaches-Challenge

Der Mann hinter der Coaches-Challenge
Verfolgt die SCL-Heimspiele jeweils aus der Trainergarderobe: Goalie-Coach Viktor Alm. / Bild: Peter Eggimann (ped)
SCL Tigers: Viktor Alm ist verantwortlich für die Torhüter. Was viele nicht wissen: Der Schwede entscheidet hinter den Kulissen, wann Langnau eine Coaches-Challenge nehmen soll.

Es wird ziemlich still in der Ilfishalle. Die SCL Tigers haben ein Gegentor kassiert.

Einer hat es diese Saison schon mehrfach geschafft, die Stimmung schlagartig zu verbessern: Torhüter-Coach Viktor Alm verfolgt die Spiele hinter den Kulissen am Bildschirm und entscheidet, ob die Tigers von der Möglichkeit einer Coaches-Challenge Gebrauch machen sollen oder nicht. Der 33-jährige Schwede ist während jedem Spiel mit der Bank verbunden. Entdeckt er zum Beispiel ein Offside oder eine Torhüterbehinderung, die von den Schiedsrichtern übersehen wurde, gibt er sofort Bescheid. Headcoach Thierry Paterlini hat dann die Möglichkeit, das Tor mit einer Challenge anzufechten.

Alm stehen dafür zwei Monitore und fünf Kameraperspektiven zur Verfügung: Die Hauptkamera, zwei in den Ecken, eine Hintertorkamera und eine direkt über dem Tor. «Das schwierige daran ist, zwischen den Ansichten zu wechseln», berichtet der Schwede, «denn man hat maximal 45 Sekunden Zeit, eine Entscheidung zu fällen.» Die Perspektive direkt über dem Tor habe er permanent eingeblendet, sagt Alm.


Er hat wenig Zeit

Wie schwer das Entscheiden unter Zeitdruck sein kann, erklärt er anhand eines Beispiels aus der Saison: «In einem Spiel gegen Kloten habe ich eine Challenge verpasst. Es war eine Millimeterentscheidung, ob es ein Offside war oder nicht. Ich musste mehrfach zurückspulen, um zu erkennen, dass es keines war. Dann hatte ich nur noch fünf Sekunden, um das Tor anzusehen und habe es deshalb verpasst, eine Torhüterbehinderung zu erkennen.» Insgesamt falle die Bilanz aber positiv aus: Die Tigers lagen mit den Challenges fast immer richtig.

An den Heimspielen hat Viktor Alm die Monitore in der Trainergarderobe aufgebaut. Auswärts verfolgt er die Spielszenen zwar auch auf dem  Bildschirm, sitzt dabei aber auf der Tribüne. «Das ist etwas schwieriger, weil man den Lärm der Zuschauer hört. Ausserdem kann man nicht rasch genug reagieren, wenn man eine schlechte Internetverbindung hat.»


Er markiert wichtige Szenen

Während er das Spiel am Bildschirm verfolgt, markiert Viktor Alm jeweils bestimmte Spielszenen mit «Tags». So können diese schnell wiedergefunden werden. Thierry Paterlini, Steve Hirschi, Jukka Varmanen oder Alm selber können dann den Spielern in den Drittelspausen anhand von Videoszenen Inputs geben.

Viktor Alm bringt für einen 33-Jährigen schon viel Erfahrung mit. Im Nachwuchs spielte er in Schweden als Torhüter auf höchstem Niveau. Aufgrund einer schweren Gehirnerschütterung musste er seine Aktivkarriere aber beenden, seitdem arbeitet er als Goalie-Trainer.

Bei den Tigers ist er verantwortlich für die Torhüter im Profi- wie auch im Nachwuchsbereich. Der Schwerpunkt liegt bei der ersten Mannschaft, besonders in der Trainingsgestaltung und Spielvorbereitung für die Torhüter Luca Boltshauser, Stéphane Charlin und neu auch David Rautio.

Noch vor der Saison wurde die Torhüterposition oftmals als Schwäche der Tigers eingestuft – Alm hatte aber nie Bedenken. «Wir wussten genau, was sie können, als wir sie verpflichtet haben.» Boltshauser und Charlin zahlen das Vertrauen mit konstant guten Leistungen zurück, an welchen auch Viktor Alm seinen Anteil hat. Dieser lobt die Einstellung seiner Torhüter: «Sie gaben von der ersten Sekunde an alles, um besser zu werden.»

Alm arbeitet viel mit Videos und analysiert mit seinen Torhütern verschiedene Perspektiven. Ausserdem ist ihm die Zusammenarbeit wichtig, etwa mit den Athletik-Verantwortlichen oder den anderen Coaches.

Der Schwede sieht aber auch Verbesserungspotenzial.  «Boltsi ist sehr intelligent und liest das Spiel ausgezeichnet. Also haben wir nach bestimmten Spielsituationen gesucht, bei deren Eintreffen er sich entsprechend positionieren kann.» Zusammen mit Charlin habe er zum Beispiel daran gearbeitet, dass dieser seine Grösse von 1,91 Meter und seine Reaktionsfähigkeit besser einsetzen kann.


Er scoutet für Toronto

Neben seinem Engagement bei den SCL Tigers hat der hockeyverrückte Schwede noch einen Nebenjob, den er sehr mag: Er scoutet für die Toronto Maple Leafs Torhüter in ganz Europa. Entsprechend viele Spiele sieht er sich an. Sein Wissen nutzt er nicht nur, um die eigenen Goalies besser zu machen, sondern auch, um die gegnerischen Torhüter zu analysieren und den Feldspielern Tipps zu geben.

Der Vertrag von Viktor Alm bei den SCL Tigers läuft Ende Saison aus. Wie es weitergeht, weiss er noch nicht. Für ihn steht fest, dass er weiter als Goalie-Coach arbeiten und Spieler entwickeln will. «Und ich werde weiter ganz viel Hockey schauen, ich liebe auch das Scouting.»

16.02.2023 :: Micha Strohl (msz)