Das Leitungssystem umfasst 14 Stollen mit einer Länge von total 37,4 Kilometern. Sie werden wöchentlich kontrolliert. / Bild: zvg
Entlebuch: Die Gasversorgung in Europa ist derzeit ein grosses Thema. Die Transitleitung Nord–Süd, die auch durchs Entlebuch führt, ist mit dem Ukraine-Krieg noch wichtiger geworden.
Es gibt eine einzige Transitgasleitung durch die Schweiz. Sie führt von der Nord- zur Südgrenze und passiert dabei auch das Entlebuch. «Diese Leitung ist sehr wichtig für ganz Europa – und für die Schweiz», sagt Ennio Sinigaglia, Direktor der Transitgas AG. Die Firma betreibt und unterhält das Erdgas-Transportsystem und überlässt die Anlagen zur Nutzung den beiden Grossaktionären Swissgas und Fluxswiss. «In der aktuellen Situation ist es wichtiger denn je, dass die Pipeline funktioniert. Wenn es in Deutschland Bedarf gibt, können wir Gas aus Italien liefern – und umgekehrt.» Auch von Bedeutung sei die Anbindung ans französische Netz, betont Sinigaglia. Der Import aus Frankreich stieg im letzten Jahr markant an.
Vom Krieg in der Ukraine und von den stark reduzierten Gaslieferungen Russlands nach Europa sei die Transitgas AG nicht direkt betroffen. Die Leitung sei unverändert gut ausgelastet, so Sinigaglia. «Einzig stellen wir fest, dass die Fliessrichtung sich häufig ändert, manchmal mehrmals pro Tag. Vor der Krise erfolgte der Transport hauptsächlich von Nord nach Süd.»
Leitung wird jede Woche kontrolliert
Weil die Leitung so wichtig ist, hat die Transitgas AG die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. «Vom Eidgenössischen Rohrleitungsinspektorat (ERI) vorgeschrieben sind zwei Kontrollen pro Monat, wir haben das Intervall freiwillig auf einmal wöchentlich erhöht», erklärt Ennio Sinigaglia. «Wir wollen die Risiken so klein wie möglich halten.» Die Sicherheitsarbeit gestaltet sich aufwändig. Das rund 300 Kilometer lange Pipeline-System wird jedes Mal in voller Länge kontrolliert. Die Strecke werde vom Helikopter aus überprüft, erklärt der Direktor der Transitgas AG. Drohnen seien noch nicht erlaubt. Dort, wo die Leitung durch einen Stollen führe, werde sie von Mitarbeitenden zu Fuss abgelaufen. Im Entlebuch ist dies in der Lammschlucht, in Flühli, in Sörenberg und beim Rothorn der Fall.
«Bei den Überflügen sehen wir, wenn es entlang der Leitung Veränderungen oder unbewilligte Bauarbeiten gibt», sagt Sinigaglia. In diesen Fällen würden die Arbeiten sofort blockiert und das ERI eingeschaltet. In einem Sicherheitsstreifen von zehn Metern links und rechts der Leitung dürften keine Bauarbeiten ausgeführt werden ohne Bewilligung des ERI, betont Sinigaglia. Auch die über 1000 Landeigentümer, die für das Durchleitungsrecht entschädigt werden, würden Auffälligkeiten melden.
Orange Tafeln dienen der Sicherheit
Orange Signaltafeln, mit einem T und Zahlen versehen, zeigen an, wo die Gasleitung durchführt. Sie sind beispielsweise im Entlebuch oft von der Strasse aus zu sehen. Auch dienen sie der Sicherheit, wie Ennio Sinigaglia ausführt. «Wenn etwas passiert, können die Leute uns die Nummer der Tafel mitteilen und wir wissen sofort, wo das Problem aufgetreten ist.»
Gibt es an der Leitung selbst einen Schaden, ist dies von aussen nicht sichtbar. Die Rohre mit einem Durchmesser von 120 Zentimetern liegen rund eineinhalb Meter tief in der Erde oder verlaufen in Stollen durchs Gebirge. Ein Leck würde im Überwachungsraum in Ruswil (LU) jedoch sofort festgestellt. Dann könnten mit Schiebern, die alle zehn Kilometer installiert sind, bestimmte Sektoren geschlossen und der Gastransport unterbrochen werden. «Auf diese Weise kann verhindert werden, dass grössere Mengen Gas entweichen», erklärt Sinigaglia.
Zehn Prozent für die Schweiz
Im Durchschnitt transportiert die Transitgas AG pro Jahr zehn bis elf Milliarden Kubikmeter Gas durch die Schweiz. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Gasverbrauch im Haushalt für Heizung und Warmwasser liegt für ein Jahr bei 16 Kubikmetern pro Quadratmeter Wohnfläche. Zehn Prozent des Erdgases, das durch die Transitleitung fliesst, werden in der Schweiz verbraucht. Dazu gibt es acht Bezugspunkte, bis auf eine Ausnahme alle nördlich von Ruswil. Dort befindet sich eine Verdichterstation. Vier Turbinen sorgen dafür, dass der Druck hoch genug bleibt, um Gas in grossen Mengen transportieren zu können.
Das heutige Transitgas-Transportsystem ist in drei Schritten entstanden: mit dem Bau Anfang der 1970er-Jahre, mit der Erweiterung Mitte der Neunzigerjahre und mit dem 2003 beendeten Grossausbau. Seit 2017 ist es auch möglich, Gas vom Süden in den Norden zu transportieren, was sich seit dem Beginn des Ukraine-Krieges als grosser Vorteil erweist.