Heute wachsen auf dem Burghügel Bäume, vor rund 700 Jahren stand hier eine steinerne Burg. Grosse Teile des Plateaus sind im Lauf der Zeit abgebrochen – einige Spuren sind aber noch sichtbar. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
«Grosse Pläne» – Serie (4/4): Um das Jahr 1300 versuchten die Habsburger sich im Tal der Ilfis auszubreiten. Sie konnten die Herrschaft Spitzenberg in der heutigen Gemeinde Langnau übernehmen – aber nicht sehr lange halten.
Heute findet man auf der Anhöhe im Wald ein Ruhebänkli und eine kleine Infotafel. Ohne diese würden die Wanderer nicht erfahren, dass dort auf Spitzenberg einst eine Burg thronte, und was für eine! Spitzenberg war eine der wenigen Emmentaler Burgen, welche aus Stein gebaut war, über eine
Vorburg verfügte und verschiedene Wehranlagen aufwies.
Dass die Anlage gut bewehrt war, kam nicht von ungefähr. Das Haus Habsburg hatte die Herrschaft Spitzenberg im Jahr 1299 vom Kloster Trub gekauft. «Es ist schon aussergewöhnlich, dass ein Kloster in Besitz einer Burg war», sagt der Mittelalterforscher Jonas Glanzmann. Dass das Kloster die Herrschaft dann an Habsburg und nicht an Bern verkauft hat, begründet er damit, dass Bern die Besitzungen des Klosters stark bedrängte – von Habsburg hingegen drohte weniger Gefahr.
Vor den Toren Langnaus
Das Haus Habsburg, an dessen Spitze zu der Zeit König Albrecht von Habsburg-Österreich stand, packte die Gelegenheit beim Schopf. Die Herrschaft Spitzenberg konnte der Schlüssel sein, um endlich im Emmental Fuss zu fassen. Das Gebiet des heutigen Kantons Luzern war bereits in habsburgischer Hand, wie auch die Stammlande Aargau und Zürich. Die Burg Spitzenberg lag unweit von Langnau, das bereits zu der Zeit ein wichtiger Handels- und Verwaltungsort war. Der Standort Spitzenberg hatte aber auch Nachteile: Er lag an einer strategisch nicht so wichtigen Stelle. Von der Burg liess sich zwar der Gohlgraben kontrollieren, nicht aber das Tal der Ilfis, wo weitaus mehr Verkehr herrschte.
«Für die Habsburger war es eine der letzten Chancen doch noch im Emmental Fuss zu fassen. Die anderen Geschlechter, wie die Kyburger, waren schon pro Bern ausgerichtet», erklärt Jonas Glanzmann. «Die Habsburger wollten ganz klar ein Exempel statuieren, und investierten viel in die Herrschaft Spitzenberg.» Die steinerne Burg wurde unter ihrer Herrschaft errichtet, wie auch Wege und die Verteidigungsgräben, die zum Teil noch heute erkenntlich sind. Zur Anlage gehörte auch eine stattliche Vorburg. Sie befand sich weiter unten, unmittelbar neben Strasse, welche heute durch eine scharfe Kurve bergwärts führt. In der Vorburg standen sicher Speicher, um die Waren, welche die zur Herrschaft gehörenden Höfe abzugeben hatten, zu lagern. Nicht nur direkt benachbarten Güter wie Multe gehörten zur Herrschaft, sondern auch Besitzungen im ganzen Emmental und Entlebuch (siehe Karten unten). Mindestens 26 Höfe mussten ihre Abgaben an die Herrschaft Spitzenberg leisten; das geht aus Urkunden hervor. Dabei kam einiges zusammen: zirka 9 Tonnen Getreide (gemessen wurde dies mit einer Masseinheit aus Zofingen), 15 Schweine, 15 Schweinsschultern, 78 Hühner, 520 Eier, zwei Pfund Wachs (zur Herstellung von Kerzen), dazu 114 Käse sowie «zwei Mäss Ziger». Es gab auch finanzielle Abgaben: So hatte das Gut Multen einen Zins von 10 Schillingen zu zahlen.
In der Vorburg wurde vielleicht auch Gericht gehalten. Das habsburgische Amt Spitzenberg hatte laut dem Urbar auch «Twing und Bann». Das Gericht konnte über «Dieb und Frevel» richten. Ob es auch über ein Hochgericht verfügte, ist nicht klar.
Der Herr von Spitzenberg fiel in Sempach
In der Burg Spitzenberg dürften damals eine Handvoll Leute gelebt haben. «Es brauchte Leute, welche die Anlage bewachten und unterhielten, und dann noch ein, zwei Verwalter», sagt Jonas Glanzmann. «Man stellt sich oft vor, dass halbe Armeen in den Burgen lebten, das war aber fast nie der Fall.» Verwaltet wurden Spitzenberg nicht direkt von den Habsburgern, sondern von Adligen, die den Habsburgern zugewandt waren. Der letzte hiess Hemmann Grünenberg. Er fiel bei der Schlacht von Sempach aufseiten Habsburg-Österreichs. Die Herrschaft Spitzenberg hatte ihren Herrn verloren und die grossen Pläne Habsburgs, ihren Einfuss auf das Emmental auszuweiten, zerschlugen sich.
Der Rest ist rasch erklärt: Bern nutzte die Situation umgehend aus. Unter Leitung des berntreuen Freiherrn Wolfgang von Brandis wurde die Burg Spitzenberg dem Erdboden gleich gemacht. Die Eroberer stiessen auf geringen Widerstand. Die Anlage wurde geplündert und angezündet. Von den Mauerresten ist heute nichts mehr zu sehen. Die Steine dienten unter anderem für den Bau des Bauernhauses Multe.