Seit 77 Jahren gibt es in Biglen die SP – «und es braucht sie noch»

Seit 77 Jahren gibt es in Biglen die SP – «und es braucht sie noch»
Christoph Ammann und Flavia Wasserfallen, umrahmt von Kurt Baumgartner (links) und Peter Appenzeller. / Bild: Rudolf Burger (bur)
Biglen: An einer Jubiläumsfeier mit prominenten Gästen wurde an Gründung und Geschichte der SP Biglen erinnert. Die Partei sei heute klein, aber es brauche sie weiterhin, hiess es.

Es war ein Genosse Althaus aus Worb, der am 13. Januar 1946 im Metzger-
hüsi in Walkringen die Versammlung im «vollbesetzten Säli» eröffnete und dabei erklärte, «dass jetzt der Moment gekommen sei, dass sich die Arbeiter zusammen schliessen, um gemeinsam und in einigkeit in die Zukunft zu blicken». So steht es, handgeschrieben und mit freihändiger ­Orthographie, im Protokoll der Gründungsversammlung des «Sozialdemokratischen Arbeiter Vereins». Am ­vergangenen Freitag, coronabedingt nicht genau 75, sondern 77 Jahre später, traf sich in der Kulturfabrik Bigla eine illustre Schar Männer und Frauen zur Jubiläumsfeier. Darunter Monica Vazzaz, Enkelin des Gründungsmitglieds Albert Rüfenacht, nicht Mitglied der SP, aber Sympathisantin, wie sie sagte. Weiter dabei SP-Regierungsrat Christoph Ammann, SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen und Mitte-Gemeindepräsident Guido Heiniger. Durch den Abend führten die beiden Co-Sektionspräsidenten Kurt Baumgartner und Peter Appenzeller.


Keine Telefonkabine

In seinem kurzen Referat erinnerte Regierungsrat Ammann daran, dass 1946 ein prominenter Genosse mit Landesstreik-Vergangenheit, nämlich Robert Grimm, Baudirektor des Kantons Bern gewesen sei. «Nicht zuletzt dank dem Engagement der SP» sei zwei Jahre später die AHV eingeführt worden. Dass sich die SP in Biglen – allerdings vergeblich – im Jahr 1947 für eine öffentliche Telefonkabine im Dorf eingesetzt habe, zeuge vom «schon damals visionären Charakter» der Partei. Flavia Wasserfallen, die gemäss Programm zu einer «markanten kurzen Gastrede» aufgefordert war, erinnerte an die «schmerzende Niederlage», welche die SP bei der kürzlichen AHV-Abstimmung erlitten habe. Es sei falsch, sagte Wasserfallen, die AHV «auf dem Buckel der Frauen» zu sanieren. «Es braucht die SP, um soziale Errungenschaften zu verteidigen. Soziale Gerechtigkeit ist keine Frage von gestern, sondern von heute und morgen. Es lohnt sich, zu kämpfen.»


Nur knapp fürs Frauenstimmrecht

Die beiden Co-Präsidenten übernahmen die Aufgabe, von einigen Erfolgen, Misserfolgen und Stellungnahmen der SP in Biglen zu berichten. «Schon im Gründungsjahr 1946 gelang es der SP, einen Sitz im Gemeinderat zu erobern», sagte das altgediente Bigler SP-Urgestein Kurt Baumgartner. Ein Jahr später lancierte die SP ohne Erfolg einen Vorstoss zum Erlass des Sekundar-Schulgelds. 1948 findet sich im Protokoll der Eintrag, dass «viele Italiener den Schweizern die Arbeit wegnehmen». 1952 wurde die «politische Interesselosigkeit der Arbeiter» beklagt. 1968 stimmte nur eine knappe Mehrheit der Sektion für das Frauenstimmrecht in den Gemeinden. 1989 beschloss die SP Biglen im Gegensatz zur SP Schweiz die Nein-Parole zur Initiative «Schweiz ohne Armee». Im neuen Jahrhundert gelang es der SP, wie Gemeinderat Peter Appenzeller erklärte, mit einer Gemeindeinitiative den zweijährigen Kindergarten einzuführen. Mittels einer Petition wurde 2012 vorgespurt, dass der Gemeindepräsident in Biglen – zeitlich vor der Proporzwahl der übrigen Gemeinderäte – per Majorz erkoren wird. 2019, bei der Debatte zur Überbauung Dättlig, die nicht realisiert wurde, lancierte die SP ein «aussergewöhnliches Flugblatt»: nämlich eines, auf dem die Pro- und die Kontra-Argumente gleichberechtigt aufgeführt waren.


Grüne Konkurrenz

Die beiden Co-Präsidenten geben gerne zu, dass die SP Biglen heute eine kleine Sektion sei. Was aber macht die SP Schweiz, der für die kommenden Wahlen im Herbst eine Niederlage prophezeit wird, denn eigentlich falsch? «Nichts», sagt Kurt Baumgartner, «viele Stimmen sind halt zu den Grünen hinübergewandert». – «Wir holen hier in Biglen bei Wahlen immerhin jeweils einen Anteil von 15 bis 20 Prozent», meint Peter Appenzeller, «aber Grüne und Grünliberale verkaufen die gleichen Themen wie wir halt oft besser».

19.01.2023 :: Rudolf Burger (bur)