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Humorvolle Vergangenheitsbewältigung

In den katholischen Regionen der Schweiz ist die Vorfasnacht in vollem Gang. In einem ­Monat kommt das fasnächtliche Treiben zu seinem Höhepunkt, wenn die besonderen Tage vom Schmutzigen Donnerstag bis zum «Güdisdienstag», wie er im Luzernischen heisst, gefeiert werden. 

Die ausgelassenen Feiern in dieser Jahreszeit, die leider nicht selten vom übermässigen Alkoholkonsum überschattet sind, zeichnen sich durch besondere Farben und Töne aus, was diesen Wochen einen unverwechselbaren Charakter gibt. 

Am wertvollsten ist für mich die humorvolle Vergangenheitsbewältigung, die mit der Fasnacht verbunden ist: Es werden Missgeschicke und Ereignisse des vergangenen Jahres aufgenommen, wobei den Menschen auch mal ins Gewissen geredet wird, fast in der Art alttestamentlicher Propheten – was eher zur Fastenzeit passt.
Wenn dies in treffender Weise geschieht und mit Humor gespickt ist, wird das nicht nur zur besten Unterhaltung, es hat auch einen reinigenden Charakter – was wiederum zur österlichen Busszeit passt. 

Mir scheint diese Art der Vergangenheitsbewältigung weit besser zu sein, als die Kommentarspalten der sozialen Medien zu füllen, in denen eine Empörung bisweilen auf die Spitze getrieben wird und in blanken Hass umschlägt. An der Fasnacht ist es möglich, mit einer gewissen Distanz Vergangenes neu zu betrachten und den Mitmenschen pointierte Hinweise zu ihrem Verhalten zu geben. Dies geschieht zum Beispiel an den verschiedenen Umzügen, wenn Gruppen für ihre Wagen und Kostüme aktuelle Themen aufgreifen und manchmal kunstvoll umsetzen. Raum dazu bieten auch Fasnachtszeitungen, wenn darin nicht nur Insiderwissen einzelner Cliquen abgebildet wird. Eine besondere Kultur hat sich in Basel mit den Schnitzelbänken entwickelt, die teilweise bestes politisches Cabaret bieten. So kann mit Humor auf Vergangenes zurückgeblickt werden, was den Menschen und der Gesellschaft gut tut.

19.01.2023 :: Urs Corradini