Ist Skifahren bald Schnee von gestern?

Ist Skifahren bald Schnee von gestern?
Das Brienzer Rothorn ist ziemlich schneesicher und damit ein Trumpf der Bergbahnen Sörenberg. / Bild: Ruedi Flück
Emmental/Entlebuch: Auch wenn es nun etwas geschneit hat – es ist ein schwieriger Winter für die Skigebiete der Region. Doch die Verantwortlichen geben nicht auf. Ein Überblick.

Die Familienpiste, die Schafport-Piste, die Talabfahrt, auch der Kinderlift und die Gondelbahn: Im Skigebiet Marbachegg war Anfang Woche keine einzige Anlage in Betrieb. Es habe schlicht zu wenig Schnee dafür, berichtet Martin Knüsel, Geschäftsführer und Präsident der Sportbahnen Marbachegg AG. Dank den Schneefällen und tiefen Temperaturen der letzten Tage sind die Perspektiven für die unmittelbare Zukunft immerhin wieder etwas besser.

So oder so ist der Winter 2022/2023 bisher schneearm wie selten einer zuvor. Die Sportbahnen Marbachegg, deren Talstation auf knapp 900 Metern liegt, bekommen das schmerzhaft zu spüren. «Natürlich tut es weh, wenn der Betrieb stillsteht», so Knüsel. Ein Drama will er daraus jedoch nicht machen. «Wir sind gewohnt, mit solchen Situationen umzugehen.»

Was der Marbachegg hilft: «Bereits heute machen wir zwei Drittel des Umsatzes in der Sommersaison», erklärt Martin Knüsel. Das Angebot reicht von Bike-Trails über Genuss-Schnitzeljagden und Foto-OLs bis zu den speziellen Marbachegg-Karts. Für die Zukunft bestünden noch weitere Ideen, um das Sommergeschäft zu stärken. Kommunizieren wolle man noch keine. Dank der soliden finan­ziellen Lage sei es möglich, Investitionen für neue Angebote zu stemmen.


Sörenberg: Kurzarbeit bewilligt

Die Bergbahnen Sörenberg sind stärker von der Wintersaison abhängig. Rund 80 Prozent ihres Umsatzes machen sie in der kalten Jahreszeit, wie Direktor René Koller erklärt. Entsprechend spürbar sind die Einbussen: Am 2. Januar, traditionellerweise ein Spitzentag, kamen dieses Jahr rund 2000 Gäste ins Skigebiet statt wie bei guten Schneebedingungen üblich um die 8000.

Deshalb haben die Bergbahnen Sörenberg – wie andere Skigebiete – für ihre Angestellten Kurzarbeit beantragt. Die öffentliche Diskussion zu diesem Thema ist kontrovers. Die einen finden: Ja – Skigebiete sollen Kurz­arbeits-Entschädigung bekommen, es gehe um die Existenz vieler Arbeitsplätze. Die andern argumentieren: Nein – es sei sinnvoller, wenn die Skigebiete alternative, innovative Angebote kreierten, um dem Klimawandel zu begegnen. Fakt ist: Gemäss René Koller hat der Kanton Luzern das Gesuch um Kurzarbeit für den Dezember bewilligt.

Immerhin hat Sörenberg ein schneesicheres Gebiet: das Brienzer Rothorn. Ausser bei Sturm konnte hier seit dem Saisonstart am 17. Dezember jeden Tag gefahren werden. Und immerhin stehen für Sörenberger Ferien­gäste Alternativen zum Skifahren bereit. Zum Beispiel der Fototrail auf der Rossweid, die gastronomische Rundwanderung, das Hallenbad oder die Minigolf-Anlage, die – dem milden Wetter sei Dank – sogar in der Altjahrswoche geöffnet werden konnte. Zum ersten Mal überhaupt.


Investieren in den Sommer

«Dank den jetzt wieder tieferen Temperaturen können wir nun auf Hochtouren Kunstschnee produzieren», sagt René Koller. So lasse sich eine gute Basis schaffen für die Sport­ferien. Die Zahl der Buchungen für Februar sei erfreulich, erklärt er. Deshalb: «Ich würde die Wintersaison noch nicht abschreiben.»

Letzte Saison fuhren die Bergbahnen Sörenberg ein gutes Geschäftsergebnis ein, das mit Abstand beste der letzten zehn Jahre. René Koller sagt aber auch: «Die Klimaerwärmung lässt sich nicht abstreiten.» Deshalb ist Sörenberg daran, die Abhängigkeit von der Wintersaison zu reduzieren, die Angebote im Sommer zu stärken. Das 22-Millionen-Projekt «Retrofit», das eine Totalerneuerung der Luftseilbahn aufs Rothorn sowie neue Angebote in der Berg- und Talstation vorsieht, ist laut dem Direktor «ein wichtiger Schritt in diese Richtung».


Chuderhüsi: Tiefe Fixkosten

Die Skilifte im Emmental backen kleinere Brötchen. Für sie ist es schwieriger, alternative Angebote zum Skifahren zu kreieren. Etwa der Chuderhüsi-Lift in der Gemeinde Röthenbach. Acht bis zehn Tage pro Winter läuft die Anlage im Durchschnitt. Diesen Winter allerdings noch keinen einzigen Tag. «Das bisschen Schnee, das bisher gefallen ist, reicht nicht», sagt Matthias Sommer, Präsident des Vereins Skilift Chuderhüsi. Dank den Jahresbeiträgen der Vereinsmitglieder und den tiefen Fixkosten – die Mitarbeiter sind nicht fest angestellt, sondern arbeiten je nach Bedarf im Stundenlohn – sei ein schneearmer Winter wirtschaftlich verkraftbar. «Längerfristig stellen sich aber schon Fragen», sagt Sommer. Dauerhaft Schneekanonen zu installieren, komme aus ökologischer Sicht kaum infrage.

Aus Sicht des Gemeindepräsidenten, der Matthias Sommer ebenfalls ist, «wäre es sehr schade, wenn der Skilift irgendwann definitiv stillgelegt werden müsste.» Denn der Lift, so klein er auch sei, sei bei den Einheimischen populär. Das zeigte sich im vergangenen Herbst, als die Skilift-Betreiber im Röthenbacher Gemeindeblatt einen dramatischen Aufruf publizierten: Wegen verschiedenen Rücktritten gehe dem Verein das Personal aus, hiess es. Es brauche dringend neue Kräfte, sonst drohe im Sommer 2023 die endgültige Stilllegung.

Der Aufruf berührte die Röthenbacherinnen und Röthenbacher. Für fast alle frei werdenden Ämter – Chef Betriebskommission, Betriebsleiter, Kasse und auch Aushilfen – konnten bereits neue Leute gefunden werden. Nun gelte es noch das Präsidium neu zu besetzen; Matthias Sommer will  auf die nächste Hauptversammlung ebenfalls zurücktreten. Aber zusammenfassend lasse sich sagen: «Punkto Personal sind wir über dem Berg.»


Eggiwil, Linden: Beliebt im Volk

Ebenfalls als Verein organisiert ist der Skilift Netschbühl in der Gemeinde Eggiwil.  Auch hier sorgen die Mitgliederbeiträge für einen Grundstock an Einnahmen. Ein Einzelmitglied zum Beispiel, das 100 Franken pro Jahr zahlt, erhält im Gegenzug ein Saisonabo für den Netschbühl-Lift und kann im schneesichereren Skigebiet Lenk-Bettelberg einen Tag lang vergünstigt Ski fahren. Diesen Winter konnte der Skilift Netschbühl bisher nicht fahren. Ihn aufzugeben, sei aber kein Thema, sagt Vereinspräsident Jürg Haldemann. «Die Eggiwiler hängen an ihrem Lift.»

Das gilt auch für den Skilift in Linden. «Wir sind ein Familienskigebiet. Bei uns lernen die Knirpse Ski fahren», sagt Hanspeter Thierstein, Verwaltungsratspräsident der Skilift Schindelberg AG. Seit 1965 existiert die Anlage. Seither gab es erst drei Winter, an denen der Lift nie fuhr. In den 1970er- und 1980er-Jahren habe es Winter gegeben, an denen die Anlage 90 Tage lang in Betrieb gewesen sei. Heute seien es in guten Saisons noch etwa 30 Betriebstage. Diesen Winter, in der ersten Dezember-Hälfte, war der Lift bisher immerhin ein Wochenende geöffnet.


Bumbach: Künstlich beschneien

Das Skigebiet Bumbach gilt dank seiner schattigen Lage als relativ schneesicher. Pro Winter laufen die Lifte hier durchschnittlich 70 bis 80 Tage. Diesen Winter waren es erst vier Tage. Doch auch Hans Rudolf Egli, der Präsident der Genossenschaft Skilifte Bumbach-Schangnau, will den Winter noch nicht abschreiben. Ab ungefähr minus 3 Grad Celsius können die Pisten technisch beschneit werden. So gesehen gibt der Wetterbericht immerhin Hoffnung, dass die Skilifte in der Heimat von Olympiasieger Beat Feuz diese Saison noch einige Tage laufen. Und dass damit die Investitionen, die man regelmässig tätigt – unlängst etwa in ein neues Ticketsystem –, besser amortisiert werden können.  

«Klar, die Zukunft wird herausfordernd», sagt Hans Rudolf Egli. «Aber was bringt es zu jammern? Nichts. Rein gar nichts.»

19.01.2023 :: Markus Zahno (maz)