Frauen unterstützen Frauen, die Führungspositionen anstreben

Frauen unterstützen Frauen, die Führungspositionen anstreben
Valérie Fux (links) und Kathrin Scheidegger haben das Mentoringprogramm initiiert und machen selber mit. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Emmental: Frauen fördern Frauen – so das Ziel eines neuen Projekts der Regionalkonferenz Emmental. Mentorinnen geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter. Das stösst auf Interesse.

Die Tatsache, dass nur in 5 von 39 Emmentaler Gemeinden eine Frau das Gemeindepräsidium inne hat, löste bei Valérie Fux und Kathrin Scheidegger etwas aus. Gemeinsam mit weiteren Mitarbeiterinnen der Regionalkonferenz Emmental (RKE) stellten sie das Mentoringprogramm «von Frauen für Frauen» auf die Beine.  Sie wollten Frauen gezielt fördern mit einem niederschwelligen Angebot, erklärt Kathrin Scheidegger, Gemeindepräsidentin von Trachselwald und Vizepräsidentin der RKE. «Dabei beschränken wir uns aber nicht nur auf die Politik», ergänzt ­Valérie Fux, Projektleiterin bei der Regionalkonferenz Emmental. Auch in anderen Bereichen wie Wirtschaft, Bildung, Landwirtschaft oder Medizin seien Frauen in Führungsposition in der Minderheit. «Wenn ich mit Geschäftsleitungen von Emmentaler Firmen Kontakt habe, treffe ich meist auf Männer», stellt Fux fest.


Selbstvertrauen und Vernetzung

Frauen haben im Allgemeinen eine niedrigere berufliche Stellung als Männer, hat das Bundesamt für Statistik (BFS) eruiert. Männer sind demnach deutlich häufiger als Frauen Selbständigerwerbende oder in Unternehmensleitungen tätig. «Diese Unterschiede bleiben auch bei gleichem Bildungsstand von Frauen und Männern bestehen», schreibt das BFS. Der Anteil Frauen an den Arbeitnehmenden in Führungsposition mache etwas mehr als einen Drittel aus.  

Kathrin Scheidegger und Valérie Fux vermuten, dass sich Frauen oft nicht zutrauen würden, eine leitende Position anzustreben oder ein politisches Amt zu übernehmen. Zudem seien Frauen in der Politik und Wirtschaft weniger gut vernetzt. Zwar habe der Gewerbeverband Berner KMU eine Frauengruppe und in der Politik gebe es jährliche Treffen für Frauen, die in der Exekutive tätig seien. Aber damit würden nur diese spezifischen Kreise angesprochen und die Anlässe seien meist gross und etwas unpersönlich, hat Scheidegger die Erfahrung gemacht. 


Beruf und Familie

Ein weiteres wichtiges Thema sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sagt Fux. Gemäss BFS-Erhebungen erledigt in den meisten Paarhaushalten hauptsächlich die Frau die Hausarbeit, insbesondere wenn Kinder im Haushalt leben. Von den Frauen mit Kindern unter 25 Jahren haben 80 Prozent ein Teilzeitpensum, bei den Männern sind es 12 Prozent. 

«Zwar sind die traditionellen Rollenbilder immer noch verbreitet, doch es ist vieles im Wandel», stellt Valérie Fux fest. In ihrer Generation sei es normal, dass beide Elternteile erwerbstätig seien, sagt die 32-Jährige. Und zwar oft in einem ähnlich hohen Pensum. Junge Männer beteiligten sich auch stärker an der Hausarbeit. Ausserdem, ergänzt Kathrin Schei-
degger (60), gebe es heute viel mehr familienexterne Betreuungsangebote als früher, auch auf dem Land. Zudem setze in der Wirtschaft ein Umdenken ein und es würden in Führungspositionen vermehrt Teilzeitstellen oder Job-Sharing-Modelle angeboten.  


Persönlich und gemeinsam

«Mit dem Mentoringprogramm wollen wir Frauen ermutigen, sich persönlich weiterzuentwickeln», betont Valérie Fux. «Und sie sollen dafür eine Anlaufstelle erhalten.» Mit dieser Idee hat die RKE offenbar einen Nerv getroffen. Auf der einen Seite hatte sie innert Kürze einen Pool von 20 bis 25 Mentorinnen beisammen. Auch Fux und Scheidegger gehören dazu. Auf der anderen Seite haben sich bereits gut ein Dutzend Teilnehmerinnen gemeldet, die sich in ihrer persönlichen oder beruflichen Entwicklung unterstützen lassen wollen. Nebst der individuellen Begleitung durch eine Mentorin soll mit dem Projekt auch die Vernetzung unter allen Teilnehmerinnen ermöglicht werden. «Wir wollen die unterschiedlichsten Frauen aus der Region zusammenbringen. Deshalb organisieren wir zwei, drei Veranstaltungen, an denen alle teilnehmen können.» Der Startanlass ist am 8. März.

Gearbeitet wird in Zweierteams

Bis Ende Januar können sich Frauen, die sich durch eine Mentorin unterstützen lassen wollen, bei der Regionalkonferenz Emmental anmelden. Die Arbeitsgruppe Mentoring wird dann anhand der Angaben jede Teilnehmerin einer Mentorin zuteilen. Nach einem ersten Treffen entscheiden beide Seiten, ob es für sie passt. Wie oft und in welcher Form sich die Tandems austauschen, ist ihnen überlassen. 

Das Mentoringprogramm läuft ein halbes Jahr, anschliessend soll es eine andere Trägerschaft weiterführen. Die Regionalkonferenz schiebt das Projekt lediglich an. Die Teilnahme ist gratis. Ziel sei es, das Projekt durch die Wirtschaft finanzieren zu können, erklärt Projektleiterin Valérie Fux. «Schliesslich profitieren die Unternehmen, wenn sich mehr Frauen für Führungspositionen melden.» 

19.01.2023 :: Silvia Wullschläger (sws)