Diese Wahl hat ordentlich Zündstoff

Diese Wahl hat ordentlich Zündstoff
Signau: Arno Jutzi (SP) gegen Paul Keller (SVP) lautet am Samstag das Duell um das Signauer Gemeindepräsidium. Ein Duell, das im Vorfeld hüben wie drüben für Emotionen sorgt.

Würde diese Geschichte in Bern oder Zürich spielen – sie wäre nicht aussergewöhnlich. Schliesslich ist es dort gang und gäbe, dass ein amtierender Stadtpräsident von den anderen Parteien herausgefordert wird, sich einer Kampfwahl stellen muss. Egal, wie gut er seine Sache vorher gemacht hat.

Doch diese Geschichte handelt in Signau. Hier, wo es zwar fünf verschiedene Parteien gibt, wo aber, wie Exponentinnen und Exponenten gerne betonen, Sach- statt Parteipolitik betrieben wird. Normalerweise. In diesen Tagen indes ist die Stimmung zwischen SVP und SP ziemlich angespannt, um nicht zu sagen: gehässig.


Die Kandidaten

Bei den Wahlen Ende Oktober eroberte die SVP mit gut 42 Prozent Wähleranteil – und etwas Proporzglück – vier der sieben Sitze im Gemeinderat. Die SP als zweitstärkste Kraft kam auf gut 18 Prozent Wähleranteil und hat im Rat nur noch einen Sitz inne, jenen des amtierenden Gemeindepräsidenten Arno Jutzi.

An der Gemeindeversammlung  diesen Samstag wird nun der Gemeindepräsident für die nächsten vier Jahre bestimmt. Arno Jutzi stellt sich zur Wiederwahl. Letztes Mal war er als einziger bereit, das Amt zu übernehmen. Dieses Mal will es auch die SVP: Paul Keller, mit 858 Stimmen bestgewählter Gemeinderat, stellt sich zur Wahl. Vor vier Jahren habe er sich noch nicht bereit gefühlt, das Präsidium zu übernehmen, erklärt er. Jetzt, nach einer Legislatur Erfahrung als Vizegemeindepräsident, wisse er: «Das Amt würde mich reizen.»


Die Parteipräsidenten

Paul Keller ist gerne Kandidat, wäre aber lieber nicht Sprengkandidat. Er und Arno Jutzi kennen sich seit der Jugendzeit, waren unter anderem zusammen in der Pfadi und im Militär. «Ich schätze Arno», sagt Keller. Seine Partei, die SVP, habe ihn aber ermutigt, als Ratspräsident zu kandidieren. Und weil er vor vier Jahren selbst gesagt habe, das Präsidium später allenfalls zu übernehmen, «kann und will ich jetzt nicht mehr zurück».

SVP-Präsident Christoph Hofer bezeichnet Paul Keller als «ehrlichen und volksnahen Macher». Bekannt sei er auch durch sein ehrenamtliches Engagement, etwa als Präsident der Feldschützen und der Elektrizitätsgenossenschaft Schüpbach. Mit der Mehrheit im Gemeinderat sei es logisch, dass die SVP Anspruch auf das Präsidium erhebe, sagt Hofer. Per Medienmitteilung forderte er «eine einvernehmliche Lösung» – und erklärte auf Nachfrage: Jutzi solle sich bereit erklären, noch zwei Jahre Gemeinderatspräsident zu bleiben und danach Platz machen für SVP-Mann Keller. Das sei ursprünglich auch so vorbesprochen gewesen.

Arno Jutzi mag einen vorzeitigen Rücktritt aber nicht im Vornherein zusichern. Und seine Partei, die SP, ist verärgert: Die SVP breche den Ehrenkodex, wonach amtierende Gemeindepräsidenten nicht mit einer Gegenkandidatur angegriffen würden. Die SVP übersehe, «dass nicht allein Macht und Grösse von Bedeutung sind». SP-Präsident Peter Heiniger fügt an: Arno Jutzi habe den Gemeinderat mit Umsicht geleitet, habe sowohl das Projekt Schul-Campus Signau wie auch die Vorarbeiten zur Ortsplanungsrevision entscheidend vorwärts gebracht. Kurz und gut: «Dass ihn die SVP angreift, wird vielerorts nicht verstanden», so Heiniger.


Die Anderen

Das Verständnis ist tatsächlich unterschiedlich gross. Hans Flückiger von der Mitte-Partei, die bei den Signauer Wahlen eine Listenverbindung mit der SVP hatte, sagt: «Einerseits ist der Anspruch der SVP auf das Gemeindepräsidium legitim.» Andererseits gebe es keinen Grund, Arno Jutzi abzuwählen, denn «er hat seine Sache gut gemacht». Auch EVP-Präsidentin Madeleine Althaus findet die parteipolitischen Grabenkämpfe «nervig und schade für unsere Gemeinde». Parteien seien wichtig, um Kandidaten zu finden. Aber gewählt würden Menschen. «Und Menschen, die ihre Arbeit gut machen, sollten unterstützt werden.» Deshalb geht auch ihre Stimme an Jutzi.

Daniela Schwarz, FDP-Präsidentin und neu gewählte Gemeinderätin, dagegen sagt: «Die Leute, die bei den Wahlen am meisten Stimmen erhalten haben, sollten das Präsidium untereinander ausmachen.» Und das seien nun einmal die Kandidaten der SVP. Schade sei, dass sich die Beteiligten nicht gütlich geeinigt hätten. Es bleibe nun zu hoffen, «dass sich das Ganze nicht negativ auf die künftige Arbeit im Gemeinderat auswirkt».

Und Arno Jutzi? Er will kämpfen. Erklärt, er habe Freude am Amt und würde begonnene Projekte wie den Campus oder die Ortsplanungsrevision gerne weiterführen. «Wir haben es gut miteinander im Gemeinderat», sagt der 62-Jährige. Das Präsidium sei aber auch aufwändig, das Arbeitspensum betrage rund 30 Prozent. «Ich gewinne also so oder so: Wenn ich wiedergewählt werde, ist das ein Vertrauensbeweis. Wenn ich nicht mehr gewählt werde, habe ich wieder mehr freie Zeit.»


Die Kritik

Erstaunt zeigt sich Arno Jutzi über die Kritik von SVP-Präsident Christoph Hofer. Dieser attestiert ihm zwar gute Ansätze, übt aber auch Kritik: In der Gemeindeverwaltung hätten sich Überstunden und personelle Wechsel gehäuft, «hier bräuchte es eine stärkere Führung». Zudem seien beim Campus wegen der Teuerung Mehrkosten zu erwarten, «kommuniziert wurde dies aber nicht», so Hofer. Jutzi kontert: Beim Campus laufe erst die Arbeitsausschreibung. Im Januar werde man einen Überblick über die Offerten haben; «vorher können wir doch nichts kommunizieren». Dass es auf der Gemeindeverwaltung übermässig viele Wechsel gegeben habe, sei schlicht falsch. Und was die Überstunden anbelange: «Dort haben wir eine Lösung aufgegleist.»

Wie auch immer: Das Interesse an der  Wahl des Signauer Gemeindepräsidenten ist gross. Deshalb findet die Gemeindeversammlung für einmal in der Turnhalle statt. Dort finden garantiert alle Platz.

24.11.2022 :: Markus Zahno (maz)