Am Anfang stand die Zündapp aus dem Hühnerstall

Am Anfang stand die Zündapp aus dem Hühnerstall
Martin Jakob besitzt zig Motorräder in seiner Sammlung. / Bild: Gabriel Anwander (agl)
Langnau: Seine Passion sind Motorräder, alte Motorräder. Martin Jakob sammelt sie nicht nur, sondern fährt auf ihnen auch Veteranen-Rennen. Zum Beispiel an der Schallenberg Classic.

Martin Jakob sammelt seit seinem 17. Lebensjahr Motorräder. Die erste Maschine, die er entdeckte und erwarb, war eine Zündapp K500, Baujahr 1938. Rahmen und Räder standen in einem Hühnerstall, der Motor lagerte separat im Keller des Bauernhauses. Jakob lernte zu der Zeit Maschinenmechaniker. Er kaufte dem Bauern die Maschine mit seinem Lehrlingslohn ab und transportierte die Teilstücke umgehend nach Hause. Beim Anblick der kuriosen Fracht schimpfte ihn sein Vater aus. «Gegen eine K500 hatte er nichts», erzählt Martin Jakob. «Vater meinte bloss, ich hätte für das Motorrad zu viel bezahlt, denn es befand sich in einem miserablen Zustand.»


Sammeln, nicht handeln

Jakob ging in Trubschachen zur Schule. In der Freizeit durfte er im Heimatmuseum helfen, alte Gerätschaften und Einrichtungen zu reparieren und zu ordnen. Dabei entwickelte er ein Gespür für Gegenstände von früheren Generationen. Das steigerte sich in wenigen Jahren zu einer Passion, er wurde ein leidenschaftlicher Sammler technischer Errungenschaften aller Art. Hat er sich einmal für den Kauf eines Gegenstandes entschlossen, dann bleibt er in seinem Besitz. Handel zu betreiben, komme für ihn nicht in Frage, sagt er. Im Laufe seines Lebens sammelte er die unterschiedlichsten Dinge. So trug er alte Maschinen und Werkzeuge aus Seilereien zusammen und gründete das Seilereimuseum im Elternhaus in Trubschachen.

Seine Vorliebe gilt jedoch den Motorrädern englischer Bauart. Über die Jahre ist seine Sammlung auf eine schöne runde Zahl angewachsen, das älteste Modell ist 124 Jahre alt, das jüngste – eine Triumph – hat den Jahrgang 1981. Die meisten dieser Veteranen stehen fachgerecht konserviert in Langnau, in einem stattlichen Gebäude in würdigen, mit viel Zubehör ausgeschmückten Hallen. 


Am Limit fahren

Mit auserwählten Rennmaschinen fährt Martin Jakob Rennen. Früher reiste er in halb Europa als Zuschauer an die Rennen, heute nimmt er selbst daran teil und fährt regelmässig in die vordersten Ränge. Bei diesen Veteranen-Rennen geht es nicht darum, der Schnellste zu sein. In einem Bergrennen beispielsweise müssen zwei Läufe absolviert werden. Sieger wird der Fahrer, der zweimal möglichst exakt dieselbe Zeit herausfährt. Dabei erzielen die Spitzenfahrer Differenzen von wenigen Hundertstelsekunden. Dank dieser Regel haben ältere Maschinen neben neueren, schnelleren Feuerstühlen durchaus gleiche Chancen. «Damit du zweimal dieselbe Zeit schaffst, musst du in beiden Läufen an deinem persönlichen Limit fahren», erklärte Jakob. Er muss es wissen, dieses Jahr liegt er in der Schweizer Meisterschaft in seiner Kategorie auf Platz zwei. 


Starten an der Schallenberg Classic

An der Schallenberg Classic kommenden Samstag und Sonntag geht Jakob einmal in der Kategorie bis Jahrgang 1950 mit einer Norton Manx, Baujahr 1948, und einmal in der Kategorie Seitenwagen mit einer Ariel, Baujahr 1937, an den Start. Im Seitenwagen wird seine Tochter Yolanda mitfahren. «Mit ihr macht ein Rennen grossen Spass. Sie ist mutig und reaktionsschnell, hängt sich in jeder Kurve voll ins Zeug. Das ist wichtig. Es braucht nur eine falsche Bewegung vom Beifahrer, und das Gespann fliegt raus», sagt Jakob. Die Rennen der Schallenberg Classic zählen nicht für die Meisterschaft. Trotzdem werden Vater und Tochter mit dem Seitenwagen wie auch er allein mit der Solomaschine am Schallenberg ihr Können demonstrieren.

Die Zündapp K500 musste er übrigens komplett restaurieren. Als er sie wieder zusammenbaute, brachte er sie beim Strassenverkehrsamt durch die Prüfung. Jakobs Freude über sein erstes, fahrtüchtiges Motorrad war riesig. Wer selbst Motorrad fährt oder jemals gefahren ist und die Zündapp mit den geraden Linien, dem breiten Lenker und tiefen Sattel sieht und das weiche Brummen des Boxermotors hört, der versteht seine Begeisterung.

22.09.2022 :: Gabriel Anwander (agl)