«Trotz der Anstrengung das Panorama geniessen»

«Trotz der Anstrengung das Panorama geniessen»
Bestes Wetter und Etappenorte wie Schynige Platte oder First: Der Eiger-Ultra-Trail hat viel zu bieten. / Bild: zvg
Berglauf: 100 Kilometer, mehr als 6000 Höhenmeter. Dominik Siegenthaler und Markus Bigler haben diese Herausforderungen angenommen. Das Panorama entschädigte für die Strapazen.

Er gilt als einer der schönsten Ultra-Trails überhaupt und ist eine riesige Herausforderung: Der Eiger-Ultra- Trail. Vom Start- und Zielort Grindelwald aus messen sich Läuferinnen und Läufer aus der ganzen Welt über verschiedene Distanzen. In der Königsdisziplin E101, bei der es 101 Kilometer und rund 6700 Höhenmeter zu absolvieren gilt, waren mit Dominik Siegenthaler und Markus Bigler zwei Emmentaler am Start. Allein schon einen Startplatz zu ergattern, ist keine Selbstverständlichkeit. «Da es zu viele Anmeldungen gibt, werden die 600 Startplätze verlost. Dieses Mal hatte ich Glück», so Siegenthaler. Für Bigler klappte es im ersten Versuch; er behielt seinen Startplatz aus dem Jahr 2020, weil das Rennen in den letzten Jahren aufgrund der Pandemie nicht über die Originaldistanz durchgeführt werden konnte.


Lange Vorbereitungen

Die beiden Emmentaler haben sich intensiv auf die körperliche und mentale Herausforderung vorbereitet. Beide betreiben Berglauf als intensives Hobby und haben schon zahlreiche Wettkämpfe bestritten. Und beide betonen: «Ohne regelmässiges und längeres Training hat man keine Chance.» Der Langnauer Siegenthaler trainiert möglichst täglich: Unter der Woche absolviere er abends kürzere Einheiten, am Wochenende sei er dann länger unterwegs. «So viel wie halt neben einem Vollzeitjob möglich ist.» Ähnlich tönt es bei Bigler. Der ehemalige Unihockeyspieler aus Schlosswil fährt täglich mit dem Bike zur Arbeit. «Am Abend gibt es kürzere Trainings, am Wochenende mache ich längere Läufe, Bike-Touren oder Wanderungen mit meiner Frau.» In der unmittelbaren Vorbereitung auf den Lauf, also eine bis zwei Wochen vorher, haben beide das Trainingspensum stark reduziert und auf gute Ernährung sowie ausreichend Schlaf geachtet.


Grosse Hitze

Am Samstagmorgen um 4.00 Uhr starteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Stirnlampe und der vorgegebenen Mindestausrüstung in den Wettkampf. Dazu gehören unter anderem Wasser, warme Kleidung und Verbandszeug.

«Am Anfang einen guten Rhythmus finden und nicht zu schnell ins Rennen starten», war für die beiden Emmentaler wichtig. Dies gelang ihnen planmässig. Mit dem Sonnenaufgang, der wunderschön anzusehen gewesen sei, stieg auch die Temperatur stetig. «Wegen der Hitze war ich noch ein wenig nervöser als ohnehin schon», sagt Bigler. Genau wie Siegenthaler läuft er nicht so gerne bei hohen Temperaturen. Entsprechend wichtig sei auch die Verpflegung gewesen. Unterwegs gibt es verschiedene Verpflegungsposten mit Getränken, Teigwaren und anderem Essen. Dazu gab es da auch moralischen Beistand: Markus Bigler wurde von seiner Frau unterstützt, was «sehr schön war und zusätzlich Motivation gegeben hat». Ebenfalls dankbar war Dominik Siegenthaler, dessen Bruder an bestimmten Stationen auf ihn wartete.


Traumhaftes Panorama

Mit den Etappenorten Grosse Scheidegg, First, Bachalpsee, Berghotel Faulhorn, Schynige Platte, Wengen, Männlichen und der Traverse unter der Eiger Nordwand ist der Eiger-Ultra-Trail nicht nur ein harter Wettkampf, sondern auch ein einmaliges Bergerlebnis. «Man muss trotz der Anstrengung versuchen, das Panorama etwas zu geniessen», sagt Markus Bigler. 

Das Panorama nicht bis zuletzt geniessen konnte leider Dominik Siegenthaler: Obwohl er ausgezeichnet ins Rennen gestartet sei und sich gut gefühlt habe, habe er bei Rennhälfte Probleme mit dem Magen bekommen. Da er auch keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen konnte, zwang ihn die Vernunft zur Aufgabe. Besser lief es für Markus Bigler: Er konnte ein gleichmässiges Tempo laufen und hatte keine Zwischenfälle zu beklagen. Mit einer Zeit von 15 Stunden und 26 Minuten beendete er das Rennen auf dem starken 13. Rang in seiner Kategorie. 

Gewonnen hat das Rennen der Chinese Shen Jiasheng. Von allen Läufern aus 70 Nationen war er der Schnellste und stellte mit 10 Stunden 44 Minuten einen neuen Streckenrekord auf. Bei den Frauen konnte sich die Schweizerin Katharina Hartmuth zur Siegerin küren lassen. 

Die Frage, ob sie auch im kommenden Jahr wieder teilnehmen wollen, können weder Siegenthaler noch Bigler eindeutig beantworten. «Sag niemals nie», meinte der Schlosswiler Bigler. Wenn nicht der Eiger-Ultra-Trail, dann sicher andere Rennen: «Denn die Läufe sind einfach eine Faszination, wie ein Virus; während dem Lauf flucht man oft, danach ist es aber ein super Gefühl.»

28.07.2022 :: Micha Strohl (msz)