Unterwegs mit der wanderfreudigen Seniorengruppe

Unterwegs mit der wanderfreudigen Seniorengruppe
Hier geht es über den Schöniseibach. Die Wandergruppe ist jeweils bis zu drei Stunden unterwegs. / Bild: Rudolf Burger (bur)
Oberdiessbach/Brenzikofen: Jeden zweiten Freitag im Monat organisiert das Seniorennetzwerk Region Oberdiessbach eine Wanderung. Im Juni ging es von Sörenberg zum Kemmeriboden.

Seniorenwanderungen gibt es viele. Die Wandergruppe, die von Brenzikofen aus in die nähere und manchmal auch etwas weitere Umgebung zieht, ist aber schon etwas Besonderes. Es ist nämlich nicht etwa bloss ein kleines Häufchen, das sich an diesem Freitag auf den Weg macht, sondern es sind immerhin 34 Personen, 18 Männer, 16 Frauen. «Meistens sind es aber eher mehr Frauen als Männer», sagt Hans Mossotti, einer der drei Wanderleiter, mit dem sich der Schreibende im Zug nach Schüpfheim unterhält. Organisiert hat diese Reise der zweite Wanderleiter, Ernst Wüthrich, er sitzt vis-à-vis, den dritten, Hanspeter Tschanz, treffen wir später. Ziel heute ist die Bergstation Rossweid in Sörenberg. Marschiert wird nach Kemmeriboden zur berühmten – und wohl auch berüchtigten – Meringue-Pilgerstätte.


«Dä mit de blaue Hose»

Hans Mossotti ist der Administrator der Wandergruppe. Er kennt sich aus mit Excel, mit Fahrplänen, mit Billettbestellen, mit Geldeinziehen. «Man kann mit uns kommen, und es ist alles organisiert», sagt er. Und tatsächlich, es funktioniert. Mossotti hat an alle Fahrpläne ausgegeben, uns zum Postauto nach Sörenberg geführt, dafür gesorgt, dass an der Talstation die Tickets für die Bergfahrt verteilt wurden. Der Cheforganisator trägt mit Absicht immer besondere Wanderhosen. Braucht etwa ein Zugbegleiter von der Gruppe eine Auskunft, heisst es einfach: «Fraget dä mit de blaue Hose.» 

Mittlerweile sitzen wir schon in der Gondel zur Rossweid, diskutieren über dies und das, vor allem, was bei diesen älteren Herrschaften nicht überrascht, über Medizinisches. Oben angekommen, geht es weiter wie immer – Besammlung im Restaurant. Auch das gehört laut Mossotti zum Geheimnis der Organisatoren: «Die Reise muss früh beginnen, am Startort muss die Zeit für einen Kaffee reichen, am Ziel Zeit für ein Bier oder sonst etwas. Mehr als drei Stunden sollte die Wanderung nicht dauern, und um sechs Uhr sollten wir zurück in Brenzikofen sein.»

So erfolgt der Start kaffee- und gipfeligestärkt ziemlich genau um 10 Uhr. Es geht zunächst durch den Wald, dann über Matten mit Blick auf die Schrattenfluh, wo ein Wanderer mit einer Erklärung für die schroffen Felshänge aufwartet: Da machte nämlich einmal ein armes Bäuerlein einen Pakt mit dem Teufel, hielt seinen Teil des Pakts aber nicht ein, worauf der Teufel aus Rache die Erde von der Schrattenfluh kratzte.


«Wir sind im Hick»

Rekognosziert hat die Wanderung Wanderleiter Wüthrich. Er läuft denn auch an der Spitze des Trosses, und wie wir um 10.49 Uhr im Salwideli ankommen, sagt er sichtlich zufrieden: «Wir sind weiss Gott im Hick», heisst: Der Wanderplan wird eingehalten. Zufrieden können die Wanderleiter auch mit den Kritiken sein, die über ihre Vorarbeit zu hören ist. Lauter Lob gibt es, alles sei hervorragend organisiert, gerne sei man mit dieser «geselligen Gruppe» unterwegs. Nicht alle, aber die meisten Mitwanderer sind im Pensionsalter, was zur Frage führt, wie oft es ungeplante Zwischenfälle gebe. «Nur einmal musste ein Wanderer wegen eines Schwächeanfalls gestützt werden», sagt Hans Mossotti. «Ab und zu verliert einer eine Schuhsohle», ergänzt Ernst Wüthrich. 

Wer aus der Maximum-Wanderzeit von drei Stunden herleiten möchte, dass solche Wanderungen nur Seniorinnen und Senioren mit nicht mehr allerbester Fitness mitmachten, liegt falsch. Da ist etwa Peter Dietrich, pensionierter Automobilexperte, der leidenschaftlich gerne Holz hackt und mit dem Flyer an die Nordsee gefahren ist. Oder Dora Stauffer, die diverse Höhenwege bewandert hat und per Velo an die Algarve reiste. Oder aber, der wohl Fitteste von allen, Wanderleiter Nummer 3, Hanspeter Tschanz, mehrfacher Absolvent des Grand Prix Bern und auch sonst gut zu Fuss: Auf Schusters Rappen lief er von Brenzikofen zur Partnergemeinde Vyskitna in Tschechien. Als kleine Provokation für Berner outet er sich als Fan des FC Basel und kommentiert das so: «Wir Emmentaler sind weltoffen.» Aus Tschechien brachte Tschanz den Kräuterbitterschnaps Becherovka nach Hause, der jetzt Interessierten unterwegs als kleine Stärkung verabreicht wird.


Die Geschichte von Senf-Kari

Mittagessen am Schöniseibach, wie immer aus dem Rucksack. Sandwichs werden ausgepackt, Früchte, Rüeblis und natürlich Cervelats. Weil niemand Senf dabei hat, Senf aber schmerzlich vermisst wird, macht die Geschichte über Senf-Kari die Runde. Diese offenbar legendäre Figur verkaufte seinerzeit in Anzug und Krawatte im Emmental per Velo in Restaurants Senf, trank überall einen Appenzeller, wechselte aber niemals mit Gästen ein Wort. Nun darf der Berichterstatter auch erfahren, dass «die ‹Wochen-Zeitung› viele gute Berichte» veröffentliche, was hoffentlich auch beim Beitrag über diese Wanderung zutreffe. Wanderleiter Massotti zieht das Reisegeld ein und vor dem Aufbruch wird gesungen. Was wohl? Natürlich «I bin e Bueb vom Trueb».

Nach kurzem Aufstieg geht es danach streng abwärts Richtung Kemmeriboden. Wessen Knie das nicht aushalten, dem steht eine Transportmöglichkeit im Auto von Wanderleiter Wüthrichs Partnerin zur Verfügung. Das wird zeitweise auch genutzt, zumal es – gut für die ausgetrocknete Natur, schlecht für die Wandergruppe – leicht zu regnen beginnt. Nachdem der Kemmeriboden doch einigermassen trocken erreicht wurde und die Meringues verspeist sind, bringen die öffentlichen Transportmittel die 34 nach Hause. Ankunft in Brenzikofen um 17.18 Uhr, Ankunftsziel 18 Uhr bestens erreicht, es bleibt sogar Zeit für ein Abschlussbier.

23.06.2022 :: Rudolf Burger (bur)