Haarspray gegen den Fahrtwind

Haarspray gegen den Fahrtwind
Arno Camenisch las in der Regionalbibliothek Langnau. / Bild: Gabriel Anwander (agl)
Langnau: An seiner Lesung stellte Arno Camenisch charakterstarke Menschen aus einem Bündner Bergdorf ins Zentrum. Er erzählte von urkomischen Begebenheiten.

Der Schriftsteller Arno Camenisch las vergangene Woche in der Regionalbibliothek in Langnau. Er ist im Bündner Bergdorf Tavanasa aufgewachsen und beschreibt in seinen Büchern charakterstarke Menschen im Dorf zur Zeit seiner Kindheit. Seine Bücher sind voll von urkomischen Begebenheiten, festgehalten mit einer leichten, von Helvetismen durchwirkten Sprache. Alle Figuren sind Helden und stehen abwechslungsweise im Zentrum. Die Bienenfrau wie der Pöstler, die Grossmutter wie der Schreiner, der zwar nur noch sieben Finger hat, aber trotzdem bloss zwölf Minuten braucht, um aus einem Brett einen Holzrechen zu fertigen. Sie tragen Spitznamen und handeln eigensinnig, beseelt vom Geist der nahen Berge. 


Von Dreiecksverhältnissen

Der Coiffeur besitzt drei Hauben, unter die er jede Frau für eine gewisse Zeit verbannt. Und zum Schluss sprayt er ihre Haare tüchtig mit Haarlack ein, damit die neuen Frisuren halten, wenn die Frauen auf der Heimfahrt ihre Köpfe aus dem Fenster des fahrenden Zugs strecken. Die zwei Frauen, die den Kiosk betreiben, sind dank den Zeitungen und Zeitschriften stets bestens über das Weltgeschehen informiert. Im Jahr der Mondlandung tauschen sie ihre Gedanken über das Ereignis aus. Nein, nicht die technische Meisterleistung der Amerikaner interessiert sie, vielmehr mutmassen die beiden über die Gefühle des dritten Astronauts, der in der Rakete bleiben und um den Mond kreisen musste, bis seine beiden Kollegen von ihrem Spaziergang auf dem Mond mit ihrer Fähre wieder bei ihm andockten. Das sei das typische Muster eines Dreieckverhältnisses, räsonieren die beiden weltklugen Damen. Ein Dreiecksverhältnis habe nie Bestand, sagt die eine, und erwähnt die verheiratete Frau im Dorf, die nebenbei einen Liebhaber hatte. Ja, weiss darauf die andere zu berichten, auch das dreirädrige Auto, das jüngst über den Pass aus Italien angetuckert kam und im Dorf tankte, das kippte weiter unten im Tal, in der ersten scharfen Kurve. 

Die meisten Geschichten sind kurz und eher banal, die Berglerinnen und Bergler jedoch liebevoll gezeichnet und ihre Gewohnheiten geradezu hinreissend. Camenisch brachte seine Texte im vollen Lesesaal zum Leuchten.

02.06.2022 :: Gabriel Anwander (agl)