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Nausea Nautica und die Hochseeheroinnen

Ein einziges Würgen und Worgeln, ein Husten und Gurgeln, eine Kakophonie gutturaler Geräusche dringt auf mich ein. Zuweilen muss ich mir die Ohren zuhalten. Säuerliche Schwaden wabern durch den Passagierbereich. Um mich herum tritt das Angebot diverser Hotelbuffets und Strandrestaurants zurück ans Tageslicht. Burger, Fritten, Shrimp, Cocktails und Meeresfrüchtepaella werden unter Krämpfen aus gepeinigten Mägen in reissfeste Papiertüten umsortiert. Kurz: Es wird gekotzt, was die Hälse hergeben. 

Die Reise mit der Fähre von Los Cristianos nach Santa Cruz dauert zweieinhalb Stunden. Die See ist etwas rau und etliche Fahrgäste dadurch unpässlich. Als musikalische Untermalung des Malheurs dudelt unbeirrbar Gute-Laune-Lounge-Jazz aus den Lautsprechern.

Durch die Reihen reihernder Reisender schreiten auf hochhackigen Schuhen die Stewardessen, das Uniformhütchen adrett auf die Frisur drapiert. Hilfsbereite Engel in den Farben der Fährgesellschaft. Während wir Landratten wie Kegel durcheinanderpurzeln, bleiben sie aufrecht wie Leuchttürme in der Brandung. Fürsorglich verteilen sie Kühlpackungen, Servietten und leere Kotztüten. Gefüllte Tüten nehmen sie diskret entgegen. Sie legen den Leidenden tröstend die Hand auf die Schulter. Sie reichen taumelnden Touristen die Hand, wo kein Geländer zur Verfügung steht. Sie sind überall zur Stelle, wo man sie braucht. Und sie tun das, davon bin ich überzeugt, mit einem freundlichen Lächeln hinter der Hygienemaske. Respekt!

Mir fällt auf, es sind ausschliesslich Frauen, die sich um die Geplagten kümmern. Zufall? Das einzige sichtbare männliche Crewmitglied harrt halb versteckt hinter der Vitrine des Boardbuffets auf den unwahrscheinlichen Fall, dass sich gerade jetzt jemand für sein pampiges Süssgebäck interessiert. 

Von Seekrankheit blieb ich zum Glück bisher stets verschont, mir wird von anderen Sachen übel.

Leider kann ich die Überfahrt dennoch nicht so richtig geniessen.

Um mich ein wenig abzulenken, torkle ich die paar Schritte hinüber in den Kiosk. Dort werden unter anderem überteuerte Tragetaschen mit aufgedruckten Comicversionen der Crewmitglieder angeboten: Kapitänchen, Stewardessen, Matrosen.

«Can I help you?» – Hinter mir hat sich aus dem Nichts eine weitere hilfsbereite Stewardess materialisiert. Ich erschrecke ein wenig. Verlegenheitshalber kaufe ich eine der Tragetaschen. Ich entscheide mich nicht für die mit dem Kapitän. Ahoi.

12.05.2022 :: Peter Heiniger