Wer kennt es nicht, ein Besuch beim Arzt, dem Physiotherapeuten, eine Fahrt im öffentlichen Verkehr, eine
Begegnung am Arbeitsplatz, ein Restaurant- oder Hotelbesuch – einmal geschaut und das Urteil ist gefällt. Bei einem passt die Nase nicht, einer erzählt Unsinn, der Dritte hört nicht zu. Das Essen ist fad, das Zimmer lieblos. Eine Situation, ein Augenblick und zack, das Beil der Meinungsguillotine fällt.
Schlimm sind auch Menschen, die missionarisch unterwegs sind und einem ihre Weltanschauung aufdrängen. Klar, wir sind alle mal in diese Rolle gerutscht! Haben wir nicht ebenfalls versucht, einem Menschen etwas aufzuschwatzen, weil wir fanden, es wäre wertvoll? Wollen wir nicht unsere Kinder, Freunde und Bekannte vor Fehlern bewahren?
Manchmal verwischt sich die Wirklichkeit mit der eigenen Wahrnehmung, was letztlich die Basis für unser Wertesystem bildet. So zum Beispiel: Betrachtet ein Arzt oder Therapeut nicht den Menschen, sondern konzentriert sich auf dessen Beschwerden, analysiert er nüchtern und fehlt es möglicherweise an Empathie, dann bekommt er im Internet einen von fünf möglichen Sternen samt verbaler Verurteilung: Nie wieder! Hat er sich menschlich gezeigt und bemüht, dann kann er mit 4 oder 5 Sternen in Googles «Hall of Fame» einziehen. Ob Mediziner, Restaurant, Anwalt, Versandhaus oder sonstige Institutionen, es wird mittlerweile alles bewertet und andere richten sich danach. Dass Bewertungen gekauft oder gelöscht werden, wird gerne ignoriert.
Interessanterweise finden vermehrt schlechte Bewertungen Beachtung. Wir wollen wissen, was da faul ist. Doch Vorsicht, das führt uns auch gerne aufs Glatteis. Oft sind die Formulierungen zu den schlechten Noten im Netz zudem noch haarsträubend. Meine Mutter hätte mir den Mund mit Seife ausgewaschen, um die schmutzigen Worte herauszuspülen. Übrigens, keine ganz schlechte Lösung, oder? Natürlich läuft es nicht ständig gut und es braucht schon mal ein Durchatmen und einen Neustart. Da stimmt erst das nächste Hotel oder die vierte Fluggesellschaft. Da passt die Chemie erst beim übernächsten Arzt, Therapeuten, Menschen. Wir müssen eigene Erfahrungen machen und nicht Bewertungen verschlingen, um eine Meinung zu entwickeln. Vergessen wir nicht, Perfektion ist eine Illusion. Darum ist ein Aufbruch und Offenheit der Weg zu meinen Zielen und Wünschen. Ich bin auf jeden Fall froh, dass der Winter auch in den Bergen vorbei ist. Ohne Glatteis kann ich ebenfalls besser die Haltung bewahren – wird das bewertet?