Weil es immer weniger Zivilschützer gibt, ist nun eine Fusion geplant

Weil es immer weniger Zivilschützer gibt, ist nun eine Fusion geplant
Die Corona-Pandemie forderte den Zivilschutz. Hier der Einsatz beim Testcenter in Entlebuch. / Bild: zvg
Entlebuch: Aus vier Zivilschutzorganisationen soll eine werden. Hauptgrund für den Zusammenschluss auf den 1. Januar 2023 sind die Bestände, die immer kleiner werden.

Dass man etwas machen muss, ist für Michael Grau Kommandant der Zivilschutzorganisation (ZSO) Region Entlebuch, klar. «In den elf Jahren, in denen ich nun Kommandant bin, hatte ich aufgrund etlicher Reformen immer mit personellen Ressourcen zu kämpfen.» Auf der anderen Seite gebe es immer mehr Einsätze, etwa bei Naturereignissen wie Überschwemmungen und Unwettern. Auch die Corona-Pandemie habe den Zivilschutz stark gefordert, sei es beim Betrieb der Testzentren oder bei der Unterstützung von Altersheimen. Mit sinkendem Bestand werde es immer schwieriger, genügend Leute für einen Einsatz aufbieten zu können. Michael Grau verdeutlicht dies mit einem Beispiel: «Für das Hagelwetter im letzten Sommer in Wolhusen musste ich 160 Zivilschützer aufbieten, um am Schluss 30 Mann auf Platz zu haben.» Auch die Durchhaltefähigkeit während eines längeren Einsatzes sei bei einer ZSO dieser Grösse nicht gegeben.


Die Gründe für den Mangel

Die Kommissionen der ZSO Entlebuch, Napf, Sursee und Wiggertal haben im August 2021 ein Projekt für eine Fusion dieser Zivilschutzorganisationen gestartet. Jean-Paul Niederberger, Präsident der ZSO Region Sursee, fungiert als Projektleiter. Alle seien sich einige, dass man etwas machen müsse. Auch er nennt den rückläufigen Bestand als Hauptgrund. Einerseits sei dieser auf die geburtenschwachen Jahrgänge zurückzuführen. Andererseits habe auch das totalrevidierte Bundesgesetz über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz grossen Einfluss. Die Dienstzeit werde verkürzt. «Heute wird ein Zivilschützer mit 36 Jahren ausgemustert, neu bereits mit 32.» Mit dem Zusammenschluss werde das Rekrutierungsgebiet grösser und die ZSO schlagkräftiger, betont Jean-Paul Niederberger. «So können wir auch grössere Schadenereignisse aus eigener Kraft bewältigen.» Bereits heute müsse man manchmal die Hilfe einer benachbarten Organisation anfordern, was aber administrativ und organisatorisch aufwändig sei. 


Neu im Vollamt

Der Projektleiter nennt einen weiteren Vorteil der Fusion: Der Zivilschutz werde professioneller. Neu bestehe der Führungsstab aus Berufsleuten, heute arbeiteten die Kommandanten und deren Stellvertreter im Nebenamt. «Bei einem Ereignis sollten sie vor Ort sein, haben aber auch noch ihre beruflichen Verpflichtungen.»

Dass dies nicht einfach ist, bestätigt Michael Grau, Kommandant der ZSO Region Entlebuch. Er hat ein Kaminfegergeschäft mit mehreren Mitarbeitenden. Das Pensum für den Zivilschutz beträgt 20 bis 25 Prozent. «Dank dem ich selbstständig bin, kann ich das gut organisieren. Es bedingt aber schon ein gewisses Mass an Flexibilität und Präsenzzeiten.» Personen für solche Aufgaben zu gewinnen, werde immer schwieriger. Grau kennt durch seine berufliche Tätigkeit Land und Leute. Das sei ein Vorteil, erklärt der Kommandant. Dieses Amt in der neuen Organisation in Vollzeit zu übernehmen, komme für ihn nicht in Frage. Er werde deshalb auf Ende Jahr zurücktreten. 


Stützpunkte bleiben bestehen

Organisatorisch wird die ganze Region der neuen ZSO Nord-West, so ihr Name, in zehn Kreise eingeteilt. Aus jedem Kreis nehme eine Person in der Zivilschutz-Kommission Einsitz, erklärt Projektleiter Jean-Paul Niederberger. Es würden analog der heutigen Regionen vier Kompanien gebildet: Entlebuch, Sursee, Napf und Wiggertal. Die einzelnen Stützpunkte in den Gemeinden würden bestehen bleiben. «Auf diese Weise ist der Ersteinsatz in den Regionen gewährleistet.» Die Geschäftsstelle und das Kommando werden ihren Sitz in Sempach haben. 


Finanzen gaben zu reden

Bei der Präsentation des Projekts im Januar in Willisau sei der Zusammenschluss bei den Gemeindevertretern nicht umstritten gewesen, sagt Jean-Paul Niederberger. Zu reden gegeben habe einzig die Finanzierung. Der Maximalbeitrag pro Kopf sei auf zehn Franken festgelegt worden. «Inzwischen gehen wir von 8 bis 8.50 Franken aus», so der Projektleiter. «Für die einen Gemeinden ist das etwas mehr, für die anderen etwas weniger als heute.» 

Der ausgearbeitete Vertrag wurde inzwischen an alle Gemeinden verschickt. Viele Gemeinderäte haben diesem bereits zugestimmt, so auch jene von Flühli, Escholzmatt-Marbach und Schüpfheim. Es seien auch einige Anträge eingegangen, sagt Niederberger. Keine grosse Sachen. Ziel sei es, den Vertrag im Mai zu unterschreiben. Ab 1. Januar 2023 soll dann die ZSO Nord-West einsatzbereit sein.  

Fredy Röösli: «Wir ergänzen uns gut»

Der Zivilschutz im Kanton Luzern ist heute in sechs regionale Zivilschutzorganisationen (ZSO) aufgeteilt: Pilatus, Emme, Region Entlebuch, Napf, Wiggertal, Region Sursee. Mit dem Zusammenschluss der letztgenannten vier ZSO werden es noch deren drei sein. «Neu werden wir von der Einwohnerzahl her etwa gleich gross sein wie die beiden andern», sagt Fredy Röösli, Präsident der ZSO Region Entlebuch. Flächenmässig wird die ZSO Nord-West dagegen die grösste sein.  

Fredy Röösli ist überzeugt, dass die Zusammenarbeit gut funktionieren wird. «Wir sind aus demselben Holz geschnitzt und ergänzen uns gut.» Zivilschützer in Sursee leisteten zum Beispiel häufiger Einsätze in der Betreuung, während im Entlebuch und Hinterland eher Pioniere draussen am Werk seien, etwa um Wanderwege instand zu stellen. «Auch künftig wird man darauf achten, die Zivilschützer möglichst in ihren Regionen einzusetzen. Es wird aber organisatorisch und administrativ einfacher als heute, einander zu helfen», so das Fazit von Röösli. 

Noch 30 Organisationen im Kanton Bern

Im Kanton Bern gibt es 30 regionale Zivilschutzorganisationen (ZSO). In mehreren Regionen würden
derzeit Gespräche laufen über Zusammenschlüsse, sagt Stephan Zellmeyer, Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz im Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär des Kantons Bern. So in der Region Bern, im Berner Oberland und im unteren Emmental. Das hat mit den sinkenden Beständen zu tun. Manche ZSO hätten heute noch halb so viele Leute wie vor einigen Jahren. Und die Zahlen würden weiter sinken, so Zellmeyer. 

Die Initiative müsse von den Gemeinden ausgehen, die für den Zivilschutz hauptsächlich zuständig sind. Der Kanton biete bei diesem Prozess jedoch Unterstützung an, erklärt der Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz. «Als Standard haben wir eine Grösse von 400 Leuten pro ZSO festgelegt. Es gibt aber Regionen, wo dies aufgrund der geografischen Ausdehnung nicht Sinn machen würde», so Zellmeyer. In den meisten Regionen bestehe aber durchaus die Notwendigkeit, sich zu grösseren Organisationen zusammenzuschliessen.

07.04.2022 :: Silvia Wullschläger (sws)