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Was kümmern mich äussere Werte

«Darfs sonst noch etwas sein?» – «Nein danke... Oh, oder geben Sie mir doch bitte noch acht von den Champagner-Truffes.» Pralinen als Mitbringsel für zu Hause scheint mir spontan eine gute Idee. 

Die Kundin hinter mir atmet geräuschvoll aus. Ob sie es eilig hat? «Gerne», singt die Verkäuferin, wieselt hinüber zur Pralinenvitrine, bückt sich und kramt in einer Schublade. «Gold, Silber oder Rost?» Sie streckt ein kupferfarbenes Säckchen empor. Mir egal, denke ich und sage: «Rost ist super.» – «Champagner?», fragt sie. «Champagner», bestätige ich. Achtsam werden acht Truffes in die Tüte gezählt. Zurück an der Kasse schlägt sie den Rand des Säckchens zweimal um, dann ein routinierter Griff nach dem Spender mit doppelseitigem Klebeband. Hoppla. Das Klebeband will sich nicht lösen. Sie nimmt die andere Hand zu Hilfe. Umständlich trotzt sie dem Spender ein Streifchen ab. Indes entfaltet sich der Tütenrand wieder. Sie faltet erneut und platziert das Klebeband. Es hält nicht. Energisch presst sie das ganze zusammen. Jetzt hälts. Nun würde ich zahlen und gehen können. Die Kundin hinter mir hat bereits begonnen nervös auf dem Absatz zu wippen. Was macht die Verkäuferin jetzt? … Also, wegen mir muss da wirklich nicht noch ein Schleifchen dran. Aber es soll wohl schön aussehen. Konditoren-Ehren-
sache. Dummerweise will sich das Band partout nicht in den gewünschten Bogen legen lassen. Störrisches Ding! Ah, jetzt klappts. Mit einer Hand
fixiert sie das Mäschchen, mit der anderen greift sie nach dem Klebeband. Mist! Das geht ja nur beidhändig. Mäschchen loslassen, Klebeband abfriemeln, Mäschchen erneut in Form bringen, Klebeband auf Säckchen, Mäschchen auf Klebeband. – Mäschchen hält nicht. Nein! Die Hände sind schweissig, der Klebestreifen unbrauchbar geworden.

Schweigend verfolgen wir das Ringen zwischen Mensch und Garnitur. Das leise Rascheln des Kupferpapiers und das Schnaufen der Verkäuferin, ansonsten herrscht Stille. Ich möchte ihr zurufen, sie solle es lassen, ich brauche keine Deko, aber der Zeitpunkt ist verpasst. Jetzt wäre es eine Schmach. Es gibt kein Zurück mehr. 

Mittels eines Aufklebers mit Logo der Bäckerei gewinnt sie die Oberhand. Endlich ist das Band gebändigt.

Die Erleichterung im Verkaufsraum ist greifbar, als sie mir das zerknitterte Säckchen überreicht und einen schönen Tag wünscht.

Als ich die Pralinen daheim aus dem Rucksack packe, hat sich die Schleife wieder gelöst. Schade.

Aber die Truffes waren fein.

17.03.2022 :: Peter Heiniger