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Ausgerechnet

Ich fahre mit dem Zug nach Deutschland. Ennet der Grenze fliegt der ICE förmlich über die Felder. Gemütlich döse ich vor mich hin und lasse die Landschaft an mir vorbeiziehen. Bis der Zug plötzlich abbremst und eine Weile im Schritttempo dahinschleicht. Offenbar eine Baustelle. Mein Blick schweift über die zusammengewürfelten Bauten von Kleingewerblern am Rande eines schmucken Dorfes. Ein Schreiner, der hier Tischler heisst, nebenan ein Metallbauer, hinten um die Ecke ein Landschaftsgärtner, schräg gegenüber ein Händler für Landwirtschaftsmaschinen und im ersten Stock eines grauen Betriebsgebäudes ist eine kleine Softwarefirma eingemietet, wie die Kleber an den Fenstern verraten.

Plötzlich bleibt mein Blick an einem Firmenschild hängen. Ausgerechnet, denke ich: «Zaunbau Schweizer». Ausgerechnet Schweizer! Warum heisst der Zaunbauer nicht einfach Hugentobler oder Protofsky? «Machet den Zaun nicht zu weit», schiesst mir Niklaus von Flüe durch den Kopf. Unabsichtlich wird hier das Image der kleinkarierten, ängstlichen Schweiz zelebriert. Zaunbau – Schweizer. Da fällt meine Erinnerung zurück in meine Bubenzeit. An der Strasse, an welcher ich aufgewachsen bin, gab es eine kleine Reihenhaussiedlung. Es waren bloss vier oder fünf Häuschen. Diese waren so klein, dass sie allesamt problemlos in einem bescheidenen Mehrfamilienhaus Platz gefunden hätten. So wäre im Quartier Platz gewesen für eine grosse Grünfläche mit Spielplatz und Fussballtor. Stattdessen standen hier aber diese kleinen Häuschen, eng aneinandergebaut. Und vor jedem Häuschen der klassische Vorgarten, mal mit etwas Grün ausstaffiert, mal mit Betonplatten ausgelegt. Immer aber mit dem genormten Briefkasten an der Strasse. Das Höchste der Individualität war die Eingangstüre. Wer es sich leisten konnte, ersetzte das schlichte Original alsbald durch ein strahlend weisses Exemplar im englischen Landhausstil mit geschwungener Zarge und einem goldenen Türknopf. 

Eines dieser Häuschen stach noch durch eine andere Besonderheit hervor. Mitten in der Reihe war der unkrautfreie Rasen eines Vorgartens mit einem niedrigen hölzernen Staketenzaun eingefasst. Dieser Zaun war so niedrig, dass ihn selbst ein Dackel mit Hüftproblemen ohne Schwierigkeiten hätte überspringen können. Der Zaun hatte keinerlei Funktion, aber er fiel mir jedes Mal auf, weil er diesen Vorgarten so akkurat und nutzlos gegen seine Nachbarn abgrenzte. Am meisten amüsiert hat mich immer, wer da wohnte: Herr und Frau Bünzli! Ausgerechnet.

17.02.2022 :: zz zz