Hoher Besuch in einem Anbindestall

Hoher Besuch in einem Anbindestall
Auf dem Hof der Familie Stucki sind die Kühe angebunden, werden aber regelmässig ins Freie gelassen. / Bild: x x (x)
Schangnau: Auf seinem Weg durchs Emmental besuchte Bundesrat Guy Parmelin auch die Bio-Bauernfamilie Stucki. Eingeladen hat ihn die Interessensgemeinschaft Anbindestall.

«Diese Kühe hier haben es besser als wir Bauern. Die Tiere dürfen im Winter fast den ganzen Tag auf dem Liegebett verbringen, fressen, wiederkäuen und schlafen.» Das sagte Konrad Klötzli, Präsident der Interessensgemeinschaft (IG) Anbindestall, in seiner Begrüssungsansprache vor dem Stall von Rudolf und Susanne Stucki in Schangnau.


Güetzi, Seile und ein Bauernhof 

Hoher Besuch war angereist. Bundesrat Guy Parmelin wollte sich ein Bild vom Gewerbe und der Landwirtschaft im Emmental machen. Nach den beiden bekannten Firmen Kambly sowie Jakob Rope Systems stand als Drittes der Bio-Hof der Familie Stucki in Schangnau mit seinen 25 Milchkühen auf dem Programm. 

Anwesend waren auch Vertreter der Interessensgemeinschaft, sowie weitere interessierte aus der Region. Die Stimmung war höflich, doch Klötzli kommt schnell zum Punkt. Denn mit der geplanten Agrarpolitik 22+ (AP22+) seien viele Bauern überhaupt nicht zufrieden, gerade auch diejenigen mit Anbindeställen. Diese fühlten sich schon seit mehreren Jahren gegenüber den Landwirten mit Laufställen vom Bund benachteiligt und fordern Gleichberechtigung. Doch bald drohten, laut den Vertretern der IG, die Vorschriften für Anbindeställe erneut verschärft zu werden. Wie beispielsweise beim Programm Regelmässiger Auslauf im Freien (RAUS): Im Winter, wenn der Weidegang nicht möglich ist, sollen die Kühe gemäss AP22+ neu an 26 Tagen pro Monat Auslauf unter freiem Himmel bekommen, anstatt – wie bisher – an 13 Tagen. Dies bedeutet einen erheblichen Zeitaufwand für die Bauernfamilie mit einem Anbindestall, weil jedes Tier jeweils einzeln ab-, und später wieder angebunden werden muss.

Landwirte in Berggebieten wünschen sich zudem Anpassungen bei der Dauer der Winterruhe für die Bergzonen 1 und 2, weil in höheren Lagen die Vegetationsdauer kürzer ist als etwa im Flachland, hielt Konrad Klötzli fest. 


Warum keinen Laufstall bauen?

Wäre es für den Bio-Landwirten nicht einfacher einen Laufstall für seine Kühe zu bauen? «Nein», ist für Rudolf Stucki klar, der auch als Klauenpfleger unterwegs ist. Nebst dem, dass sein Stall erst 20 Jahre alt ist und ein Umbau eine finanzielle Belastung darstellen würde, überwiegen für ihn die Vorteile gegenüber einem Laufstall.

Auch Klötzli und der Vizepräsident der IG, Beat Haldimann, betonen gegenüber Bundesrat Parmelin mehrmals die positiven Aspekte. Unter anderem seien die Kühe ruhiger, da auch rangniedere Tiere einfach zum Futter kommen. Klauenkrankheiten kämen weniger vor, die Tiere blieben sauber und sogar die Umwelt profitiere davon, weil weniger Ammoniak in die Luft gelange.


Kein Verbot von Anbindeställen

Auch an der Sitzung nach dem Stallrundgang werden die Anliegen der IG Anbindestall – welcher sowohl konventionelle als auch biologisch produzierende Landwirte angehören – diskutiert. Guy Parmelin hört zu, und betont dass der Bundesrat nicht die Absicht habe, Anbindeställe zu verbieten. Hinzu komme, dass in Sachen AP22+ noch nichts entschieden und diese momentan sistiert sei. «Vergessen Sie jedoch nicht, dass nicht ich alleine die Vorschriften mache», hielt der Bundesrat fest. Es sei nicht einfach, die verschiedenen Ansichten unter einen Hut zu bringen.


Klare Haltung zur Initiative 

Deutlicher äussert sich Guy Parmelin zur Massentierhaltungsinitiative: «Diese Initiative wäre katastrophal für die Schweiz.» Hierzlande gäbe es schon sehr strenge Vorschriften und keine Massentierhaltung. Viel mehr sei die Initiative unter anderem eine Gefahr für den Selbstversorgungsgrad, welcher heute schon nur rund 60 Prozent betrage. Angesichts möglicher Krisen sei eine ausreichende Selbstversorgung heute um so wichtiger. Dabei denkt er unter anderem daran, dass andere Länder kurzfristig ihre Exporte stoppen könnten. Sei es aus politischen Gründen oder aber wegen klimabedingter Ernteausfälle. Auch fördere die Initiative den Einkaufstourismus.

Die Haltung des Bundesrates zur  Massentierhaltungsinitiative hinterlässt sichtlich erleichterte Sitzungsteilnehmer. Und so äussern sich die Befragten zufrieden mit dem heutigen Treffen. 

Ein Ereignis, das besonders bei der Familie Stucki in Erinnerung bleiben wird, oder wie es Rudolf Stucki sagt. «Der Besuch vom Bundesrat war uns eine Ehre. Etwas, das man wohl nur einmal im Leben erlebt.»

10.02.2022 :: Rebekka Schüpbach (srz)