«Wir sind die einzige Rösterei dieser Art in der Schweiz»

«Wir sind die einzige Rösterei dieser Art in der Schweiz»
Geschäftsinhaber Walter Hostettler überwacht den Röstprozess. / Bild: x x (x)
Niederhünigen: Das Geschäft der G. Berger AG läuft. Kaffee-Ersatz ist dank Homeoffice und dem Klimabewusstsein im Aufwind. Nun nimmt die Firma ein Bauprojekt in Angriff.

Wenn sich die mächtige Trommel des Röstofens dreht und Heissluft einströmt, dröhnt es ziemlich laut. «Hier wird soeben die Wurzel des Chicorée geröstet», erklärt der Geschäftsinhaber Walter Hostettler. Schon seit der Gründung ist seine Firma auf die Herstellung von Kaffee-Ersatz spezialisiert. Zichorie, wie Chicorée auch genannt wird, ist eine der Hauptzutaten, die es dafür braucht. Gut eine Stunde lang rösten die getrockneten Schnitzel bei maximal 160 Grad Celsius, um das richtige Aroma zu entwickeln. «Je nach Art und Grösse der Ware, abhängig vom Wetter und weiteren Faktoren, verändert sich die Röstdauer von Charge zu Charge», erklärt Hostettler. Deshalb brauche es «Gspüri» und Erfahrung, um den Vorgang zum richtigen Zeitpunkt zu beenden.


Aufträge anderer Firmen

In den drei Öfen der G. Berger AG werden rund 900 bis 1000 Tonnen Rohware pro Jahr verarbeitet. Zumeist handelt es sich dabei um Zutaten für Kaffee-Ersatz, sogenannte Surrogaten. Dazu gehören Zichorien, Feigen, Getreide, Eicheln und Lupinen. Der Grossteil davon wird im Auftrag von anderen Firmen aus der Schweiz und Europa geröstet. Nur etwa zwei Prozent werden direkt vermarktet. Die Firma ist zwar Bio und Demeter zertifiziert, verarbeitet aber auch konventionelles Röstgut. Das sei kein Problem, bestätigt der langjährige Geschäftsinhaber: «Die Verarbeitung ist immer fast gleich.»

Im Lager fahren die Gabelstapler hin und her. Seit Dezember liefern Lastwagen regelmässig neues, bereits getrocknetes Rohmaterial aus der letztjährigen Ernte an. «Uganda», steht auf einigen Säcken mit Sesam. Das sei die Bestellung eines Kleingebäckherstellers, erklärt Walter Hostettler. «Zichorien beziehen wir aus Belgien oder Frankreich, Lupinen und Getreide aus Europa und Eicheln und Feigen – bereits geröstet – aus der Türkei», nennt er weitere Herkunftsländern. Dass die Waren nicht so weit gereist sind wie richtige Kaffeebohnen, sei mit ein Grund, weshalb Leute wieder vermehrt Kaffee-Ersatz konsumieren würden. Vielen sei Nachhaltigkeit wichtig, aber nicht nur: «Besonders in Frankreich gilt Zichorie als überaus gesund», weiss Hostettler. Weil Röstereien für Surrogate in Europa selten geworden sind, gehören nicht nur Schweizer Firmen und Privatpersonen zu seinen Kunden. Vieles wird nach dem Röstprozess ins Ausland exportiert. Je nach Kundenwunsch geröstet, gemahlen oder auch sprühgetrocknet und bereits fertig verpackt. «In der Schweiz sind wir die einzig verbliebene Rösterei dieser Art», so der 55-Jährige.


Halle wird erneuert

Nachdem über Jahrzehnte die Konsumenten von Kaffee-Ersatz buchstäblich ausstarben und die Röstaufträge entsprechend zurückgingen, ist die G. Berger AG mit ihren neun Angestellten heute wieder im Aufwind. Besonders in den letzten beiden Jahren, seit die Leute wegen Corona vermehrt zu Hause blieben, sei die Nachfrage gestiegen, stellt Walter Hostettler fest.

Nun ist es an der Zeit, die alte Halle zu ersetzen. Deshalb soll in einem ersten Schritt eine neue Halle wie eine Hülle über die alte gebaut werden. Erst danach werden die in die Jahre gekommenen Gebäudeteile darunter abgerissen. Auf diese Weise könne der Betrieb trotzdem fast uneingeschränkt weiterlaufen, erklärt Hostettler. Rund ein halbes Jahr dauern die Bauarbeiten. Einsprachen gegen das Projekt gab es keine. Dem Baustart steht demnach nichts mehr im Weg.

27.01.2022 :: Rebekka Schüpbach (srz)