Das Medienpaket benachteiligt die Gratiszeitungen

Das Medienpaket benachteiligt  die Gratiszeitungen
Tom Herrmann, Verleger dieser Zeitung, hofft auf ein Nein zum Mediengesetz. / Bild: Jakob Hofstetter (jhk)
In eigener Sache: Am 13. Februar stimmt die Schweiz über das Medienpaket ab. Bei einem Ja würden Gratiszeitungen wie die Wochen-Zeitung leer ausgehen. Hier unsere Sicht der Dinge.

Die privaten Schweizer Medien sollen gemäss dem neuen Medien-Massnahmenpaket mit über 170 Millionen Franken pro Jahr subventioniert werden. Für nicht abonnierte Zeitungen gäbe es keinen Rappen. Allein im Kanton Bern würden so Zeitungen mit über 700´000 Leserinnen und Lesern diskriminiert.

Wir Verleger von Wochen-Zeitung, Bärnerbär, Bümpliz­Woche, Biel/Bienne und D´Region finden dies unfair, wettbewerbsverzerrend und zudem schädlich für unsere Demokratie. Aus folgenden sechs Gründen lehnen wir das Mediengesetz in der vorliegenden Form ab:


1. Wir werden gelesen. Unsere vier Gratistitel Wochen-Zeitung, Bärnerbär, Biel/Bienne sowie D´Region erreichen mit über 300´000 Exemplaren gemeinsam über eine halbe Million Menschen. Rechnet man zahlreiche weitere Gratistitel im Kanton hinzu, die ebenfalls ohne Subventionen auskommen, steigt die Leserschaft auf fast 700´000 Bernerinnen und Berner. Trotzdem werden wir vom Mediengesetz diskriminiert.


2. Was macht eine Zeitung aus? Wir finden die Leserzahl, den Werbeumsatz und natürlich die inhaltliche Qualität einer Zeitung mindestens genauso aussagekräftig wie die Anzahl Abonnenten. Im Mediengesetz entscheidet aber einzig die abonnierte Auflage über staatliche Förderung.

3. Wir leben und lieben Lokalität. Unsere Redaktorinnen und Redaktoren recherchieren, vermitteln und kommentieren das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Geschehen auf lokaler und regionaler Ebene. Sie sind stets dort, wo die Algorithmen der Suchmaschinen nicht hinkommen und grosse Medienkonzerne oft nicht mehr hinschauen. Wir sind für die Meinungsbildung vieler Menschen entsprechend wichtig und damit relevante Akteure für die direkte Demokratie.


4. Klein und fein. «Die kleinen und mittleren Verlage sollen erhalten werden.» Dieser Wunsch von Bundesrätin Simonetta Sommaruga entspricht auch unserem Anliegen. Da wir Bestandteil der von ihr gewünschten Medienvielfalt sind, setzen wir uns aber auch für eine faire Medienförderung in der Schweiz und im Kanton Bern ein. Leider werden wir vom Bundesamt für Kommunikation und dem Verlegerverband erstaunlicherweise ausgegrenzt. Und vergessen wir nicht: Je mehr unabhängige Zeitungen ohne Konzernanschluss berichten, desto höher ist die Medienvielfalt.


5. Achtung Zweiklassengesellschaft! Weniger begüterte Menschen, die sich kein Abonnement leisten können, sind auf Gratismedien angewiesen. Das Mediengesetz allerdings fördert innerhalb der Bevölkerung ebendiese Zweiklassengesellschaft.


6. Wir fordern gleich lange Spiesse. Die Verleger von abonnierten Zeitungen und von kostenlos verteilten Zeitungen sollen die gleichen Rahmenbedingungen haben. Alles andere ist wettbewerbsverzerrend und gefährdet damit unser Fortbestehen.


Deshalb sagen wir am 13. Februar Nein zum «Massnahmenpaket zugunsten der Medien». Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung an der Urne sowie für Ihr grosses Vertrauen in unsere Zeitungen. 

«Auch wir liefern relevante Inhalte»

Langnau: Mit dem Medienpaket sollen von 22 Zeitungen im Kanton Bern nur sechs unterstützt werden. Das sei Wettbewerbsverzerrung, erklärt Tom Herrmann, Verleger der Wochen-Zeitung.


Tom Herrmann, warum werden Gratistitel wie die Wochen-Zeitung, der Bärnerbär, Biel/Bienne oder D´Region mit dem neuen Medienpaket nicht unterstützt?

Weil sich das Parlament auf das alte Postgesetz bezieht, in dem steht, dass nur abonnierte Zeitungen unterstützungswürdig sind. 


Es heisst, Gratistitel seien nicht unterstützungswürdig, weil sie «nicht relevate Inhalte» lieferten…

«Nicht relevante Inhalte»? Vor unserer Haustüre passieren so viele Dinge: Konzerte und Theater, Regionalsport, volkstümliche Anlässe, Behörden-
informationen und, und, und. Über diese Dinge berichten wir Woche für Woche. Wenn das alles für die Leserschaft «nicht relevant» ist, dann haben die, die das behaupten, recht. In meinen Augen sind diese Dinge aber sehr wohl relevant – deshalb sehe ich nicht ein, warum man uns mit diesem Medienpaket nicht unterstützen will.


Die Befürworter des Medienpakets argumentieren: Die Werbeeinnahmen der Medien sinken, Qualitätsjournalismus könne nur mit staatlicher Hilfe überleben.

Dass die Werbeeinnahmen sinken – das ist eine Tatsache. In der Pandemie mit all den wegfallenden Anlässen hat sich dieser Trend noch verstärkt. Zusätzlich ist natürlich auch die Digitalisierung spürbar. Doch die angestrebte Medienvielfalt kann nicht mit staatlicher Unterstützung passieren, wenn von insgesamt 22 Zeitungen mit redaktionellem Inhalt im Kanton Bern nur sechs unterstützt werden. 


Sie kämpfen für ein Nein am
13. Februar. Falls dieses Nein eintritt, wird gar niemand unterstützt. Das bringt die «Wochen-Zeitung» doch auch nicht weiter, oder?

Aber bei einem Nein ist die Chancengleichheit wieder hergestellt, alle Medienhäuser sind wieder auf Feld eins, alle werden gleich behandelt. So gäbe es unter den Verlagen keine Wettbewerbsverzerrung. Während acht Monaten in der Pandemie wurden zum Beispiel die Tageszeitungen mit Steuergeldern unterstützt: Sie wurden von der Post kostenlos verteilt. Das entspricht alleine im Kanton Bern einer Subvention in Millionenhöhe. In der gleichen Zeit hatten allein wir von der Wochen-Zeitung Portokosten von über 300´000 Franken zu bezahlen.


Wie ginge es für die Wochen-Zeitung bei einem Ja weiter?

Wir würden weiterkämpfen. Um Gerechtigkeit. Um Gleichbehandlung. Ums Überleben.

20.01.2022 :: pd, Markus Zahno (maz)