«Emmentalwärts» als grösster Erfolg

«Emmentalwärts» als grösster Erfolg
Karen Wiedmer engagierte sich mehr als ein Vierteljahrhundert in der Regionalpolitik. / Bild: zvg
Emmental: Seit Anbeginn der Regionalkonferenz Emmental war Karen Wiedmer Geschäftsführerin. Nun hört sie auf – und blickt nochmals zurück auf Gefreutes und Schwieriges.

Für insgesamt 39 Gemeinden – von Burgdorf mit einer Bevölkerung von 16´500 Personen bis Rumendingen mit bloss 80 – ist die Regionalkonferenz Emmental zuständig. Ende November ist Karen Wiedmer als Geschäftsführerin dieses Gremiums zurückgetreten. Wobei: Ganz aufgehört hat sie noch nicht. Bis April 2022 will sie der neuen Geschäftsleitung unter Thomas Frei mit Rat und Tat zur Seite stehen. 

Wiedmer arbeitet seit 1995 für die Region Emmental. Zuerst war sie Geschäftsführerin der Bergregion Trachselwald, später übernahm sie diese Funktion auch im Planungsverband Burgdorf. Vor zehn Jahren wurden die ehemaligen Regionsverbände in die Regionalkonferenz Emmental überführt, wo Karen Wiedmer ebenfalls die Geschäftsleitung übernahm. Wenn sie über ihr Vierteljahrhundert Bilanz ziehen muss, ist sie des Lobes voll. Die Zusammenarbeit unter den 39 ganz unterschiedlichen Gemeinden habe «sehr gut funktioniert», sagt sie. «Das Emmental ist eine Region, die sich solidarisch zeigt, die Gemeinden im unteren Emmental mit den oberen – und umgekehrt.» Ist es denn nicht so, dass grössere Gemeinden wie Burgdorf und Langnau die kleineren wie Rumendingen oder Rüti dominieren? Nein, eigentlich nicht, meint Wiedmer, auch die kleinsten Gemeinden hätten in der Regionalkonferenz gut mitgemacht: «Man würde begreifen, wenn sie sich nicht an jeder Versammlung gezeigt hätten, dem war aber nicht so.»


Über 50 Projekte

Das grösste Projekt, an dem Karen Wiedmer mitgearbeitet hat, war die Verkehrssanierung Burgdorf-Oberburg-Hasle – genannt «Emmentalwärts» —, für die 430 Millionen Franken veranschlagt sind. «Viele Jahrzehnte lang war das ein Riesenthema», sagt Wiedmer, «jetzt sind alle Hürden genommen, die Bundesgelder sind gesprochen, es braucht nur noch die Zustimmung des Grossen Rats zum Baukredit.» Hat dieses Vorhaben im unteren Emmental keine Begehrlichkeiten in anderen Gebieten ausgelöst? Nein, findet Wiedmer, von der Beseitigung dieses Flaschenhalses werde das ganze Emmental profitieren. Gleichzeitig verweist sie darauf, dass auch die Entwicklung des Geländes der ehemaligen Papierfabrik Utzenstorf einer Verkehrslösung bedürfe. Auch hier habe die Region die Arbeit schon erledigt. «Jetzt ist der Kanton an der Reihe.»

Im Bereich Regionalpolitik fördert die Regionalkonferenz über 50 Projekte. Gibt es solche, die der scheidenden Geschäftsführerin besonders am Herz liegen? «Jedes Projekt ist mir sympathisch», sagt Wiedmer, «ob es um ein grosses wie die Ilfilshalle ging (für die ein zinslose Darlehen von vier  Millionen geleistet wurde), oder die mit 100´000 Franken unterstützte Professionalisierung der emmentalischen Gemüsekeller zur Vermeidung von Food Waste.» 

Bei der Wirtschaftsförderung ganz generell hat die Regionalkonferenz nach Wiedmer vor allem die Aufgabe, für die Rahmenbedingungen zu sorgen, damit die bestehenden Firmen bleiben und ausbauen können. «Wir haben unzählige Firmenbesuche organisiert, um zu erkennen, wie die Region oder der Kanton Unterstützung für neue Projekte, neue Märkte oder neue Technologien leisten können.»


Diskussionen um die Kultur

Mitgeholfen hat die Regionalkonferenz auch bei der Richtplanung für Windkraftanlagen. In mehreren Gemeinden – Sumiswald, Wynigen, Eggiwil  – wurden Areale als mögliche Standorte für Windturbinen bezeichnet. Dennoch bezweifelt Karen Wiedmer, ob je eine Anlage im Emmental stehen wird: «Der Ruf nach erneuerbaren Energien ist da, aber wenn es konkret wird, will niemand eine Windturbine in der Nähe haben.» Dabei gelte es auch, auf die Bedürfnisse des Tourismus Rücksicht zu nehmen: Während die einen finden, Windkraftanlagen wären eine Attraktion, seien sie in den Augen anderer nun einmal «potthässlich».

Auch angesichts der Liste der von der Regionalkonferenz unterstützten Kulturinstitutionen könnte sich die Frage aufdrängen, ob sich kleine Gemeinden nicht gegenüber grösseren benachteiligt fühlten. Von den sieben Institutionen, die subventioniert werden, sind nämlich vier in Burgdorf (zum Beispiel das Museum Franz Gertsch), zwei in Langnau (Chüechlihus und Regionalbibliothek) sowie eine in Lützelflüh (Gotthelf-Zen-
trum) angesiedelt. «Ja, es gab heisse Diskussionen um die Kulturförderung», sagt Wiedmer, «denn auch in kleinen Gemeinden gibt es eine vielfältige Kultur.» Letztlich sei aber massgebend, ob einer Institution regionale Bedeutung zukomme und ob sie auch von der Standortgemeinde substantiell unterstützt werde, und beides sei eben nur bei den unterstützten Institutionen der Fall.


Einen Roman schreiben

Nein, sagt Karen Wiedmer, Covid habe die Arbeit der Regionalkonferenz Emmental nicht stark gehemmt, es sei sogar ein Privileg gewesen, weiterarbeiten zu dürfen, wenn es anderen verboten worden sei. Als Höhepunkt ihrer 26-jährigen Tätigkeit sieht sie die gelungene Verkehrssanierung Burgdorf-Oberburg-Hasle, als negativ beurteilt sie die Tatsache, dass es immer mehr Aufwand brauche, um etwas zu bewegen. «Das Planungswesen wird immer komplexer, es gibt immer mehr Hindernisse.» Das sei für sie, eher Macherin als Verwalterin, nicht immer einfach gewesen. 

Was macht sie nun mit der gewonnenen Zeit? Sie werde weiter im Projektmanagement, im Coaching und im Ghostwriting, tätig sein, sagt Wiedmer. Auch will sie wieder vermehrt als Übersetzerin arbeiten – schliesslich habe sie bis zum achten Altersjahr in England gelebt. Und noch ein Projekt hat sie: «Ich schreibe an einem Roman. Ich freue mich, einmal länger in ein Thema abzutauchen und etwas in einem anderen Stil zu schreiben als in Amtsdeutsch.»

06.01.2022 :: Rudolf Burger (bur)