Er kann ein seltenes Jubiläum feiern: 50 Jahre im Service tätig

Er kann ein seltenes Jubiläum feiern: 50 Jahre im Service tätig
Franz Krügel hatte schon manche Gabel und manches Messer in den Händen. / Bild: zvg
Marbach/Schangnau: Seit nicht weniger als 50 Jahren arbeitet Franz Krügel aus Marbach im Service, seit vier Jahren im Kemmeribodenbad. Der Kontakt mit den Menschen sei das Schönste.

Franz Krügel wartet vor dem Kemmeriboden-Bad in der Kälte. Nach einer kurzen Begrüssung geht er voran, mit schnellen, weichen Schritten, wie ein geübter Tänzer, und setzt sich in der warmen Gaststube an einen Tisch. Bereit zum Gespräch. Er sei, beginnt er, auf einem Bauernhof in Marbach aufgewachsen. Als ältester Sohn wusste er schon früh: Eines Tages werde ich den väterlichen Hof übernehmen. 


Neben dem Bauern gekellnert 

Um etwas Geld zu verdienen, bezog er im jugendlichen Alter von 15 Jahren im Hotel Bahnhof in Langnau ein Zimmer und arbeitete in der Küche und am Buffet. Schon bald wurde ihm erlaubt, den Gästen Getränke zu servieren und Geschirr abzuräumen. Später übernahm er zu Hause den Hof und arbeitete weiter auswärts in einem Gastrobetrieb. Sein eigener Betrieb war zu klein, um eine Familie zu ernähren. Es folgten ein paar Jahre in Marbach, in Schangnau, eine lange Zeit in Steffisburg und die letzten vier Jahre hier im Kemmeriboden-Bad. Den Hof musste er bald verpachten, denn bis Mitternacht auswärts Gäste zu bedienen und in der Früh daheim im Stall die Kühe zu melken, das war zu viel. Zu viel für ihn und seine
Familie.

Nun ist es soweit: Am 1. Dezember feiert Krügel ein höchst bemerkenswertes Jubiläum: 50 Jahre im Gastgewerbe. Ein volles halbes Jahrhundert lang hat er Gäste bedient. Das sieht man ihm nicht an, vor allem sein Lächeln ist frisch und charmant wie je.¨


«Der Umgang mit den Menschen»

Warum ist er diesem Beruf so lange treu geblieben? Was ist das Schöne daran? Krügel braucht keine Sekunde, um zu überlegen. «Der Umgang mit Menschen. Nicht allein mit den Gästen, auch mit den Leuten im Betrieb. Es arbeiten 65 Personen hier. Ich fühle mich als Teil eines Ganzen, das wunderbar funktioniert.»

Wer ihn einmal erlebt hat, der weiss: Franz Krügel bedient die Gäste mit der Sicherheit eines englischen Butlers. Er ist dabei nicht halb so steif, dafür doppelt so freundlich. Haben Sie oft Komplimente bekommen? Der Gefragte wischt mit dem Arm über den Tisch. «Ach, die Komplimente. Die gehen zum Chef.» Zum Beispiel? «Der Franz hat uns wieder speditiv und freundlich bedient. Solche Sachen.» 

Erinnern Sie sich an das schönste Kompliment? Können Sie es uns verraten? Krügel wartet, überlegt, und spricht dann mit Bedacht. «Ein Mann kommt manchmal mit seiner Frau zum Essen. Ein bekannter Unternehmer. Ich habe sie dreimal bedient. Beim vierten Mal sagt der Mann zu mir: ‹Ich bin der Peter.› Das hat mich...» Den Rest des Satzes schluckt er runter, legt stattdessen die Hand auf sein Herz. Haben Sie mit ihm darauf angestossen? Mit einem Glas Wein? «Oh, nein. Ein Kellner trinkt nicht mit den Gästen. Niemals.»


Unpünktlichkeit mag er nicht

Was ärgert Krügel in seinem Beruf? Er ignoriert die Frage und schwärmt vom guten Essen, das er und die anderen täglich vorgesetzt bekommen. Erst beim dritten Nachhaken – Gibt es wirklich nichts, das Ihren Zorn erregt? – spricht er es aus: «Unpünktlichkeit. Wiederholtes Zuspätkommen. Das ertrage ich schlecht.»

Was würde er einer jungen Person raten, die im Gastgewerbe arbeiten möchte? «Das Wichtigste: Sei freundlich. Immer. Und zu allen. Zweitens: Sei pünktlich. Und drittens: Mach keine Leerläufe.» Dreissig Meter betrage die Distanz zwischen Küche und Gartenwirtschaft. Da müsse man mit den Kräften haushälterisch umgehen, fügt er noch an.

Nun wird Franz Krügel pensioniert. Wie geht es weiter? Er lacht herzhaft. «Ich darf hier noch aushelfen. Wie lange, das werden wir dann sehen.»

25.11.2021 :: Gabriel Anwander (agl)