100 Jahre Insulin: Das Medikament rettete zig Diabeteskranke

100 Jahre Insulin: Das Medikament rettete zig Diabeteskranke
Insulin wurde vor 100 Jahren erfunden. Heute ist dessen Einsatz einfach – dem Insulin-Pen sei Dank. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Langnau: Das Spital Emmental feierte die Entdeckung des Insulins vor 100 Jahren. Ein Vortrag führte vor Augen, welch grosse Fortschritte die Forschung im Laufe der Zeit gemacht hat.

Die beiden leitenden Ärzte Bernard Chappuis und Silvia Schwab, beide in den Bereichen Diabetologie und Endokrinologie tätig, boten ein interessantes Referat mit Informationen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Insulins.

Die 1848 von Paul Langerhans entdeckten Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse produzieren Insulin, das Steuerungshormon des Zuckerstoffwechsels. Der Zuckerspiegel im Blut pendelt zwischen 4 bis rund 8 Millimol pro Liter. Ist er über Jahre zu hoch, schädigt er Nerven und Blutgefässe. Bernard Chappuis übersetzte den Fachbegriff für Zuckerkrankheit: «Diabetes» bedeutet «Durchfluss» und «mellitus» heisst «honigsüss».


Diabetes ist nicht gleich Diabetes

Typ-1-Diabetes ist eine vererbbare Autoimmunerkrankung, bei der absoluter Insulinmangel herrscht, weil Antikörper die Beta-Zellen zerstören. Der weitaus häufigere Diabetes vom Typ 2 kann jeden Menschen treffen. Er beginnt schleichend und bleibt oft lange unbemerkt. Als typische Symptome treten Durst, Gewichtsverlust, Harndrang und Müdigkeit auf. Die Insulinsekretion ist vermindert oder zu wenig wirksam, war am Vortrag zu erfahren. Übergewicht und Diabetes mellitus nehmen weltweit zu. 2019 starb alle acht Sekunden jemand wegen Diabetes, gesamthaft 4,2 Millionen Menschen.

«1921 gelang es dem Mediziner Frederick Banting und seinem Assistenten Charles Best, Insulin aus der Bauchspeicheldrüse eines Hundes zu isolieren», erklärte Bernard Chappuis in seinem Vortrag weiter.

1922 behandelten sie damit erfolgreich den ersten Menschen; 1955 entschlüsselten Forscher die menschliche Insulinstruktur und ab 1965 kann Insulin technisch hergestellt werden. Im Jahr 1982 kamen die ersten Insulin-Analoga auf den Markt – Mittel, die rascher und kürzer wirken.


Insulin muss gespritzt werden 

«Insulin muss gespritzt werden, denn im Magen wird es abgebaut», erklärte Silvia Schwab. Um die Langerhans-Zellen in der Bauchspeicheldrüse anzuregen, stehen Medikamente in Tablettenform zur Verfügung, welche bei Typ-2-Diabetes eingesetzt werden. Diabetiker mit Typ 1 spritzen ein Basis-Insulin, das über 24 Stunden wirkt, und ein Insulin-Analoga vor den Mahlzeiten. Dafür existieren verschiedene Pens. Die heute verwendeten Nadeln sind nur vier bis fünf Millimeter kurz und dünn. Sie setzen das Insulin ins Unterhautgewebe. «Für die Blutzuckerüberwachung wurden Geräte entwickelt, welche den Blutzuckerwert in der Gewebeflüssigkeit mittels Sensor kontinuierlich messen ohne den schmerzhaften Stich in die Fingerkuppe», so Silvia Schwab weiter. Die programmierbaren Insulinpumpen kleben auf der Haut. Sie messen den Blutzucker und spritzen Insulin. Eine weitere unverzichtbare Säule der Therapie sind Bewegung und gesunde Ernährung. Ein gänzlicher Verzicht müsse aber nicht sein, beruhigte Silvia Schwab. Es dürfe von allen Speisen massvoll gegessen werden. Nur Süssgetränke gelte es zu vermeiden.

Für die Zukunft wird weiter geforscht. Das Ziel wäre, wie die beiden Ärzte erklärten, Stammzellen in Insulin produzierende Zellen umzuwandeln. 

18.11.2021 :: Sylvia Ammann (sal)