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Blumen für Jerry

«Vielen Dank für die Blumen, vielen Dank, wie lieb von dir.»

Kennen Sie dieses Lied? Wie oft habe ich Tom zugeschaut, wie er zwecklos und mit grossem Aufwand dem kleinen Jerry nachrennt. Wie oft habe ich gelacht, wenn Jerry im letzten Moment im Mauseloch verschwunden ist und Tom davor nur noch wütend mit den Krallen gewetzt hat. Manchmal hat er sich selber mit der Bratpfanne auf den Kopf geschlagen, weil Jerry auf seinem Kopf gesessen ist. Er hat sich jedes Mal selber Verletzungen geholt, frei nach dem Motto: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.

Ich bin wirklich immer für Jerry und gegen Tom gewesen. Ich finde das Verhalten dieses Katers einfach blöd. Er wirkt gestresst und lässt sich provozieren durch ein kleines Mäuschen.

Kopfschüttelnd denke ich: «Tom, lass doch den Jerry in Ruhe, der braucht ja nicht viel Platz.»

Doch da kommt die Wende mit Udo Jürgens Lied: «Manchmal spielt das Leben mit dir gerne Katz und Maus, immer wird es das geben und es trickst dich einer aus.» 

So auch an jenem Donnerstag vor einem Monat, als es draussen zu «herbstelen» angefangen hat. 

Wir haben Besuch von einer kleinen Maus bei uns im Haus. Plötzlich sehe ich die Welt in einem ganz anderen Licht. Irgendwie finde ich Jerry auf einmal nicht mehr so witzig. Ich fürchte mich, dass Jerry mir das Hosenbein hochklettert und finde generell, dass Jerry nicht in unser Haus passt. Ich kann plötzlich keine Minute mehr ruhig verbringen im eigenen Heim, solange ich weiss, Jerry haust mit uns. Ich hüpfe nur noch durch die Wohnung und bin leicht hysterisch. Ich habe vergessen, dass ich für Jerry bin und hole Tom, ich meine Mira, unsere Katze, ins Haus. Diese gähnt nur müde und satt gefressen, und sie interessiert sich überhaupt nicht für Jerry, ich meine die Maus. Als diese dann lebensmüde direkt vor Miras Füssen durch rennt, wirkt Mira entspannt und mit einem kurzen Seitenhieb killt sie Jerry, die Maus,vor meinen Füssen. 

Zägg! Einfach so getötet, und das auch noch in einer gemütlichen Entspannung, die schon fast an Langeweile grenzt. 

Im Film bei «Tom und Jerry» stirbt Jerry nie. Da frage ich mich, geschockt auf das tote Mäuslein schauend: «Ist die Welt, die uns durch den Fernseher präsentiert wird, immer so realitätsfremd?»

Traurig und irgendwie doch etwas erleichtert und auf jeden Fall mit einem mega schlechten Gewissen, vergrabe ich Jerry, die Maus, und lege Blumen aufs Grab. Und da ist es mir, also ob ich den Jerry singen höre:

«Vielen Dank für die Blumen, vielen Dank, wie lieb von dir.»

11.11.2021 :: Fabienne Diessel-Krähenbühl