Treffsicher mit Pfeil und Bogen

Treffsicher mit Pfeil und Bogen
Johanna Steiner (links) schiesst mit einem Langbogen, Susanne Geissbühler mit einem Bowhunte.r. / Bild: Markus Zahno (maz)
Langnau: Die Bogenschützinnen Johanna Steiner und Susanne Geissbühler haben an den Schweizermeisterschaften gleich vier Medaillen gewonnen. Wer sind die beiden? Wir haben sie besucht.

Sie ist gut versteckt und nur zu Fuss erreichbar, die Trainingsanlage der Bogenschützen Langnau. Am Waldrand steht ein kleiner Materialraum, daneben drei Tische mit Festbänken. Auf dem Feld sind ein paar Zielscheiben in unterschiedlicher Distanz aufgestellt – 10 bis 70 Meter vom Abschussbereich entfernt. Das ist alles.

So unscheinbar wie die Anlage im Fulholz zwischen Langnau und Schüpbach, so unscheinbar ist auch der Sport, der hier ausgeübt wird. Kaum jemand weiss, dass hier besonders treffsichere Schützinnen den Bogen spannen: Johanna Steiner gewann an den Schweizermeisterschaften in der Kategorie «Langbogen Master Dames» zweimal Gold. Und Susanne Geissbühler im «Bowhunter Master Dames» zweimal Silber.

An diesem regnerischen Vormittag sind die beiden Frauen ins Fulholz gekommen, um ihren Sport näher vorzustellen. Sie erklären die unterschiedlichen Bögen. Steiners Langbogen ist aus Holz und hat eine einfache Biegung. Auch die Pfeile sind aus Holz, etwa 19 bis 26 Gramm schwer. Geissbühlers Bowhunter ist an den Enden nach vorne gebogen; durch diese Gegenbiegung (englisch: Recurve) wird beim Spannen mehr Energie auf den Pfeil übertragen. Entsprechend schneller fliegen die Pfeile, die aus Karbon sind, dem Ziel entgegen.


Zielscheiben und Tierfiguren

Wenn die beiden Frauen erzählen, merkt man als Laie rasch: Bogenschiessen ist komplex. Es gibt nicht nur sechs verschiedene Bogentypen, sondern auch fast unzählige Kategorien. Und unterschiedliche Arten von Zielen: Beim olympischen Bogenschiessen wird auf eine gelb-rot-blau-schwarze Zielscheibe geschossen. Hier sind die Profis aus Asien besonders stark; bei Olympia 2021 räumte Südkorea vier von insgesamt fünf Goldmedaillen ab.

Vor allem in Österreich, aber auch in Deutschland und der Schweiz gewinnt eine andere Disziplin an Beliebtheit: das 3D-Bogeschiessen. Dieses praktizieren auch Geissbühler und Steiner. Hier dienen Tierfiguren aus Schaumstoff als Ziel. Bruno Nussbaumer – Partner von Johanna Steiner und ebenfalls erfolgreicher Bogenschütze – stellt auf der Wiese zwei Tierfiguren auf. Ein Wildschwein und eine Truthenne. An Wettkämpfen werden viele solche Figuren zu einem bis zu acht Kilometer langen Parcours verbunden. Geschossen wird aus unterschiedlichen Distanzen und in unterschiedlichem Gelände. «Das macht es abwechslungsreich», sagt Geissbühler.


Körper und Geist

Susanne Geissbühler (61) arbeitet im Aussendienst einer Nahrungsmittelfirma und wohnt in Zollbrück. Zum Bogenschiessen fand sie vor bald 40 Jahren. Nachdem ihre Kinder zur Welt kamen, legte sie eine Pause ein. Mittlerweile sind die drei Söhne erwachsen und Geissbühler ist seit zehn Jahren wieder voll im Trainingsbetrieb. Für sie ist Bogenschiessen eine Art Meditation: «Körper und Geist müssen im Einklang sein», sagt sie. «Ich bin eine reine Plauschschützin. Aber natürlich habe ich auch Freude, wenn ich den verbissenen Schützen Paroli bieten kann.» Wobei «Paroli bieten» untertrieben ist: Geissbühler gewann in ihrer Karriere bereits so viele Medaillen, dass sie aufgehört hat zu zählen. Johanna Steiner (57) lebt in Oberburg und arbeitet als Hörsystemakustikerin. Sie kam durch ihren Partner zum Bogenschiessen. Er schenkte ihr vor acht Jahren einen Gutschein für ein Anfängerset, sie fand Gefallen daran und kaufte sich später einen anspruchsvolleren Bogen. Dann lernte sie Susanne Geissbühler kennen und trat dem Klub in Langnau bei. Das Zusammenspiel von Haltung, Atmung und Konzentration gefällt Johanna Steiner. Und vor allem, dass die 3D-Parcours in ganz unterschiedlichem Gelände stattfinden. «Man wandert über Stock und Stein, kommt zu einem Ziel und schiesst sogleich.» Hier hat nur eine Chance, wer einen tiefen Puls hat, körperlich fit ist.


Freuden und Leiden

Die Bogenschützen Langnau trainieren jeweils am Dienstagabend – im Frühling, Sommer und Herbst unter freiem Himmel, im Winter in der alten Höheweg-Turnhalle. Wie vielen Vereinen in anderen Freizeitbereichen hat die Pandemie auch den Bogenschützen zugesetzt. «Wir müssen kämpfen, dass die Leute wieder ins Training kommen», sagt Johanna Steiner. Sie und Susanne Geissbühler brauchen derweil keine Extra-Motivation. Längst ist das Bogenschiessen ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden. Nächsten Juni reisen die beiden an die – wegen Corona bereits zweimal verschobene – Europameisterschaft nach Frankreich. Sie sind gespannt, was sie dort erwartet. Ihr persönliches Ziel sei, Freude zu haben und nicht Letzte zu werden, sagt Geissbühler. Steiner schmunzelt und entgegnet: «Ich glaube, diesbezüglich musst du keine Bedenken haben.»

04.11.2021 :: Markus Zahno (maz)