«Ich will nicht durchschnittlich sein»

«Ich will nicht durchschnittlich sein»
Ein Mann mit Prinzipien: Jason O’Leary bevorzugt eine authentische und ehrliche Kommunikation. / Bild: Peter Eggimann (ped)
SCL Tigers: Jason O’Leary will direkter kommunizieren und offensiver spielen. Die Angriffslinien, welche für mehr Torgefahr sorgen sollen, scheint er bereits gefunden zu haben.

Jason O´Leary, wie gefällt es Ihnen in Langnau?

Super – mir gefällt mein Beruf sehr gut. Ich bin in Kanada in einer ländlichen Region auf einem Bauernhof aufgewachsen und bin absolut kein Stadtmensch. Deshalb gefällt es mir umso mehr hier in Langnau. Es ist für mich nicht nur ein Schritt weiter im Job, sondern auch ein Schritt näher zu meiner Familie. Meine geschiedene Frau wohnt mit unseren Söhnen in Langenthal.


Sie arbeiten erstmals als Headcoach in der NLA. Sind Sie dieser Position gewachsen?

Ich bin mir nicht sicher, ob es ein so grosser Unterschied zu meinen bisherigen Jobs ist. Klar, sind das Tempo und die Spielweise anders als in der NLB – das überrascht mich aber nicht. 


Welchen Eindruck haben Sie von den SCL Tigers? 

Es ist eine Organisation, die mich schon lange interessiert und die ich schon seit Jahren verfolgt habe. Ich bin stolz auf meinen Job, auch weil ich von der Leidenschaft, welche die SCL Tigers antreibt, sehr beeindruckt bin. 


Sie stehen gehörig unter Druck. Die Geschäftsführung hat klar kommuniziert, dass die Mannschaft jeden
Gegner fordern und wieder deutlich mehr Spiele gewinnen soll. 

Mir war von Anfang an bewusst, dass es eine schwierige Aufgabe wird – es  ist aber auch eine super Chance. Wir haben ein tolles Team mit arrivierten, routinierten Spielern, erfolgshungrigem Nachwuchs und unterstützenden Ausländern. Als Sportler oder Coach hat man ja immer einen gewissen Druck, wir spielen schliesslich um eine Meisterschaft. Ich habe keine Lust, durchschnittlich zu sein, ich will mehr, und dafür arbeite ich. Auch wenn es schwierig ist.


Viele trauen Ihrem Team dieses «mehr» aber nicht zu.

Das braucht etwas Geduld. Wir haben im Team viel über die Arbeitsleistung, den Fokus und die Mentalität gesprochen. Wichtig ist, dass alle – Spieler und Staff – jeden Tag ihr Bestes geben und nicht immer denken: «Wir sind nur das kleine Langnau.» Diese Gedanken aus den Köpfen zu kriegen, ist nicht einfach. Aber ich zeige, wie es geht.


Von Ihnen werden generell klarere Anweisungen erwartet, als Ihr Vorgänger sie gegeben hat.

Damit habe ich keine Probleme. Ich bin von Natur aus direkt, authentisch und kommuniziere offen und ehrlich. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und mein Vater hat mir immer klare Aufträge gegeben. So halte ich es auch mit den Spielern. Wenn die Pflicht erfüllt ist, habe ich nichts gegen ein bisschen Spass. Wahrscheinlich ist es für mein Gegenüber nicht immer toll, eine Anweisung von mir zu erhalten, vor allem, wenn ich etwas kritisieren muss. Aber seien wir mal ehrlich: Die Wahrheit schmerzt eben manchmal, dafür kann man aber schneller handeln, wenn man direkt ein Feedback bekommt. Eine offene Kommunikation ist essenziell. Ich exponiere mich lieber mit der unbequemen Wahrheit, als mich hinter Lügen zu verstecken.


Klar kommuniziert haben Sie offenbar auch die vier Angriffslinien.

Ja, die Sturmtrios Petrini–Saarela–Pesonen, Weibel–Grenier–Olofsson und Berger–Schmutz–Sturny habe ich in den Vorbereitungsspielen mehr oder weniger unverändert spielen lassen. Das fördert die Gewohnheit und folglich das Vertrauen ineinander. Eine Angriffslinie stand schon letzte Saison praktisch in allen Spielen in dieser Zusammensetzung auf dem Eis. Die Linie empfinden wir als gut, weil wir denken, dass dort die Chemie unter den Spielern stimmt. 


Wie sieht es denn mit der Verteidigung aus?

Auch in der Defensive haben wir einen Plan, nur ist er bezüglich der Verteidigerpaare noch nicht so konkret umgesetzt. Hier müssen die Spieler etwas flexibler sein. Bei den Verteidigern geht es auch mehr um Rollen,  bei denen jeder bereit sein muss, diese zu übernehmen.


Die Testspiele haben den Eindruck erweckt, dass Sie auf ein System setzen, mit dem die SCL Tigers mehr Tore erzielen. 

Ja, wir haben explizit daran gearbeitet, mehr in die Offensive gehen zu können. Wir sind zwar noch nicht da, wo wir gerne hinmöchten, haben aber schon viele Fortschritte gemacht.


Was sind Ihre Erwartungen ans Team?

Die Arbeit und die Leistung müssen stimmen. Aber – und das ist mir enorm wichtig – auch der Zusammenhalt muss gut sein. Das kommt nicht über Nacht. Was ich gar nicht mag, sind selbstgefällige Sportler. Ich will, dass alle hart arbeiten. Und dabei ist mir auch bewusst, dass es mentale Stärke braucht. Ich erwarte von allen, dass sie sich im Kopf aufs Gewinnen einstellen, und zwar täglich und um jeden Preis.


Die Meisterschaft beginnt für die SCL Tigers mit einer geballten Ladung: am Freitag das Spiel in Lugano, am Samstag trifft Ihre Equipe in der Ilfishalle auf Servette. 

Es wird ein schönes Wochenende, ich freue mich sehr auf den Saisonstart. Die zwei Partien werden gleich eine tolle Prüfung sein. Uns erwarten als Gegner zwei komplett unterschiedliche Mannschaften. Ich habe eine gute Zeit mit Chris McSorley erlebt, der nun bei Lugano ist, und ich habe immer noch gut bekannte Weggefährten bei Servette. Und klar, ich möchte allen zeigen, dass ich hier einen guten Job machen kann. Ausserdem freue ich mich unheimlich darauf, endlich wieder vor Fans spielen zu dürfen – das wird auch die Jungs zusätzlich beflügeln!

09.09.2021 :: Olivia Portmann (opk)