Künftig werden bei Reber keine Tiere mehr geschlachtet

Künftig werden bei Reber keine  Tiere mehr geschlachtet
Ab 2023 wird bei Reber Langnau kein Vieh mehr angenommen. Die Fleischverarbeitung bleibt aber bestehen. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Langnau: Die Ernst Sutter AG stellt den Schlachtbetrieb in Langnau ein und konzentriert sich hier auf die Verarbeitung. Das hat Auswirkungen auf die Viehhändler und Landwirte.

Die Ernst Sutter AG betreibt in Langnau einen Schlachthof und eine Fleischverarbeitung. Kürzlich orientierte die Firma mit Sitz in Gossau (SG) Mitarbeitende und Lieferanten, dass der Schlachtbetrieb im Verlauf des ersten Quartals 2023 eingestellt werde. Betroffen sind gemäss Ernst Sutter AG 36 Mitarbeitende. Mit ihnen führe man zurzeit Gespräche und es würden «individuelle Lösungen» gesucht. Insgesamt arbeiten am Standort Langnau rund 210 Personen. 

Die Ernst Sutter AG fusionierte 2008 mit mehreren Gesellschaften, unter anderem mit dem Langnauer Fleischverarbeiter Reber. Das Unternehmen verfügt über fünf Standorte und zwei Logistikplattformen in der ganzen Schweiz. Einzig in Langnau befindet sich ein Schlachthof.


Es hätte investiert werden müssen

Es handle sich um einen strategischen Entscheid, in Langnau keine Tiere mehr zu schlachten, schreibt die Medienstelle auf Anfrage. Man wolle sich künftig auf die Bereiche Zerlegung und Veredelung von Fleisch und Fleischwaren konzentrieren. «Damit fördern wir die regionale Produktevielfalt und die lokale Wertschöpfung.» Mit ein Grund sei, dass in den kommenden Jahren «erhebliche Investitionen nötig gewesen wären, die wir intensiv geprüft haben», teilt die Medienstelle mit. Gleichzeitig seien in den Regionen Mittelland, Zentralschweiz und Westschweiz ausreichend Schlachtkapazitäten verfügbar. Heute werden in Langnau auch Tiere aus diesen Regionen angeliefert, künftig wird es umgekehrt sein. 


Mit Schlachthöfen im Gespräch

Wo genau die Tiere aus dem Emmental ab 2023 geschlachtet werden, gibt die Ernst Sutter AG, die seit 2004 zum Fenaco-Konzern gehört, nicht bekannt. Die Medienstelle antwortet auf die entsprechende Frage: «Die Ernst Sutter AG wird die Schlachttiere weiterhin über ihre bestehenden Lieferanten einkaufen, in der Region Mittelland, Zentral- und Westschweiz schlachten lassen und in Langnau verarbeiten.» Man sei mit verschiedenen Schlachthöfen in den genannten Regionen in Kontakt. 

Viele Grossbetriebe gibt es in der Schweiz nicht, es dürfte sich um jene in Oensingen, Sursee, Estavayer und Courtepin handeln. Wie viele Rinder, Munis, Kühe, Lämmer und Schweine heute in Langnau geschlachtet werden, gibt das Unternehmen nicht bekannt. 

Durch die Schliessung in Langnau müssten einige Tiere künftig zwar länger transportiert werden als heute, andere hingegen würden einen kürzeren Transportweg zurücklegen, hält die Medienstelle fest. Sämtliche Transportzeiten «liegen weiterhin deutlich unter den gesetzlichen Mindestanforderungen». Mit der Auslagerung des Schlachtprozesses könne man in Langnau Kapazitäten schaffen für zusätzliche Kühlräume sowie eine erweiterte Warenannahme.


Label soll bestehen bleiben

Der Entscheid hat Auswirkungen auf das Label Emmentaler Bauernkalb von IP Suisse. Die Prämie erhalten die beteiligten Landwirte heute nur, wenn die Kälber im Schlachthof Reber in Langnau geschlachtet werden. Obwohl dies künftig nicht mehr der Fall sein wird, werde das Label aufrechterhalten, versichert die Medienstelle der Ernst Sutter AG. «Wir haben die Zusicherung vom Labelgeber IP Suisse, dass die Richtlinien angepasst werden und arbeiten die Details dazu zurzeit gemeinsam aus.» 

Längere Wege, höhere Kosten, offene Fragen bei Notschlachtungen

Die befragten Viehhändler und Landwirte aus der Region bedauern den Entscheid der Ernst Sutter AG, in Langnau künftig keine Tiere mehr zu schlachten. Die Wege würden länger, was sich negativ aufs Tierwohl auswirke, sagt etwa Heinz Riesen. «Ökologisch und ethisch ist das fragwürdig.» Der Viehhändler aus Ramsei transportiert bereits heute Tiere in der ganzen Schweiz. Sein Ziel sei immer, sie möglichst einem Schlachtbetrieb in der Region zuzuführen. Riesen bringt heute pro Jahr rund 4000 Schweine, 1000 Kälber und 500 Kühe und Rinder in den Schlachthof Langnau. 

Transport aufwändiger und teurer

Mehr zu kämpfen hat Beat Fankhauser aus Emmenmatt, der als kleiner Viehhändler heute ausschliesslich den Schlachthof Langnau beliefert. Pro Woche sind das insgesamt 15 bis 20 Tiere. «Am Mittwochmorgen bringe ich die Kühe und am Freitag die Kälber. Wenn ich nach Oensingen oder Sursee fahren muss, wird der Transport aufwändiger. Fragt sich zudem, ob es möglich sein wird, alle Kühe und Kälber gleichzeitig zu bringen.» Auch Landwirt Hans Müller aus Marbach hat keine Freude am Schliessungsentscheid. Heute bringt er im Schnitt jeden Dienstag ein bis zwei Kälber des Labels Emmentaler Bauernkalb nach Langnau. «In 20 Minuten bin ich im Schlachthof, mein Aufwand und der Stress für die Tiere ist klein.» Er könne aber nicht jede Woche mit zwei Kälbern nach Oensingen fahren. Es bleibe wohl nichts anderes übrig, als einen Sammeltransport zu organisieren. Das sei mit Kosten verbunden, die ihm niemand vergüte. Pro Tier müsse er mit 70 bis 100 Franken rechnen. «Das sind rund 7000 Franken Mehrkosten», sagt Müller.

Wo künftig notschlachten? 

Die Frage, die Alfred Bärtschi, Landwirt aus Lützelflüh und SVP-Grossrat, aufwirft, gibt allen befragten Personen schwer zu denken: Wo kann man künftig Notschlachtungen vornehmen? «Verletzt sich ein Tier und kann nicht behandelt werden, muss man es entweder einschläfern und verbrennen oder sofort metzgen und verwerten.» Dabei sei man auf kurze Transportwege angewiesen. Mit jeder Metzgerei, die schliesse, verschärfe sich das Problem, so Bärtschi. Da müsse man ab 2023 eine Lösung haben. Gleicher Meinung ist Walter Sutter, Landwirt und Gemeindepräsident von Langnau. «Die kleineren Metzgereien in der Region können nicht alle Notschlachtungen vornehmen. Ihre Kapazität ist begrenzt und nicht alle sind für Grosstiere eingerichtet.»

Gemeinderat wurde informiert 

Der Gemeindepräsident wurde von der Ernst Sutter AG persönlich und per Schreiben über die Schliessung des Schlachthofs informiert. Dem Gemeinderat sei es vor allem ein Anliegen, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. «Uns wurde gesagt, dass die Leute die Möglichkeit hätten, intern in einem anderen Bereich zu arbeiten», sagt Walter Sutter. Dass die Tiere aus dem Emmental nun längere Transportwege zurücklegen müssten, sei zwar bedauerlich. «Doch man darf sich nichts vormachen, schon heute werden Tiere aus dem Wallis hier geschlachtet und solche vom Schlachttiermarkt in Schüpbach transportiert man in die Ostschweiz.» Die Transportwege in der Schweiz seien im Vergleich zum Ausland jedoch immer noch wesentlich kürzer.

02.09.2021 :: Silvia Wullschläger (sws)