«Die Münzen beweisen, dass das Emmental auch abseits besiedelt war»

«Die Münzen beweisen, dass das Emmental auch abseits besiedelt war»
Die Münze des römischen Kaisers Trajan, die bei Luterbach gefunden wurde, ist im archäologischen Inventar vermerkt. / Bild: zvg
Emmental: Kantonsarchäologe Adriano Boschetti erklärt, warum im Emmental bislang eher wenige Funde gemacht wurden und wie der Archäologische Dienst sein Inventar überarbeitet hat.

Das kantonale Inventar der archäologischen Stätten, Fundstellen und Ruinen liegt noch bis im September öffentlich auf. Die Nachführung des Inventars, das rund 4300 Fundstellen und gegen 1300 Schutzgebiete umfasst, dauerte gut ein Jahr. 


Herr Boschetti, gab es viele neue Funde, dass das Inventar nachgeführt werden muss? 

Wir haben immer wieder festgestellt, dass das Inventar nicht mehr aktuell war. Die Fundstellen waren zum Teil bei Gemeinden, Regierungsstatthalterämtern und bei uns archiviert, und das nicht auf demselben Stand. Hinzu kommt, dass heute die Daten digital zugänglich sein müssen.  


Auf dem Geoportal sind heute nur die Fundstellen eingezeichnet. Wird man künftig auch Informationen zu den eigentlichen Funden erhalten? 

Es ist noch nicht detailliert bestimmt, welche Hintergrundinformationen zu den Funden öffentlich zugänglich sein werden. Grundsätzlich haben wir vom Archäologischen Dienst natürlich ein grosses Interesse, die Öffentlichkeit zu informieren; in einigen Fällen besteht aber die Gefahr, dass Raubgrabungen gemacht würden. 

Was in der Karte des Geoportals in Zukunft aber sicher dargestellt werden wird, sind die Schutzgebiete, welche bekanntlich bereits bestehen. 


Was bedeutet es, wenn mein Grundstück in einem Schutzgebiet liegt? 

Dass dort aufgrund früherer Erkenntnisse weitere Funde vermutet werden. Wichtig ist vor allem, dass den Gemeinde- und Baubewilligungsbehörden die Schutzgebiete bekannt sind, damit wir bei einem Bauvorhaben die Fundstellen sichern können.  


Bauherren befürchten wegen Ausgrabungen massive Verzögerungen. 

Meist können die Bauarbeiten wie geplant ausgeführt werden. Nur in ganz wenigen Fällen wird eine Ausgrabung gemacht. Wenn wir an allen Orten mit möglichen Funden Ausgrabungen machen wollten, kämen wir mit der Arbeit schlicht nicht mehr nach. 


Viel Arbeit gab dem Archäologischen Dienst sicher auch, das Inventar zu aktualisieren. 

Wir hatten für ein Jahr eine zusätzliche Person angestellt, um die Nachführung des Inventars erledigen zu können. Bei über 4000 Fundstellen und rund 1300 Schutzgebieten war von vornherein klar, dass nur wenige vor Ort besichtigt werden können. Bei den anderen wurde der Eintrag anhand der verschiedenen Dossiers aktualisiert. 


Es fällt auf, dass mancherorts die Schutzzonen ausgedehnt wurden.

In der Summe blieb die Fläche der Schutzzonen wohl etwa gleich. Es gibt beispielsweise in überbauten Gebieten auch Schutzzonen, welche verkleinert oder aufgehoben wurden. 


2020 lancierte der Archäologische Dienst eine Wanderausstellung, die auf viel Resonanz stiess. Erhielten Sie viele Hinweise auf neue Funde? 

Es gab immer wieder Meldungen. Der über 4000-jährige Baumstamm aus Heimisbach wurde auch durch die Ausstellung publik. Meldungen von Privaten sind sehr nützlich. Die römischen Münzen aus dem Gebiet Luterbach wurden auch von einer Privatperson gefunden und uns gemeldet. Die Münzen beweisen, dass das Emmental in römischer Zeit bereits besiedelt war, und zwar auch abseits der Haupttäler.


Generell hat es im Emmental aber verhältnismässig wenige Fundstellen.

Dass es hier weniger Fundstellen hat als etwa im Mittelland, liegt vor allem an der Topografie. Viele Dinge wurden verschüttet oder liegen irgendwo in einem Wald, wo keine Bauarbeiten ausgeführt werden. 


Wie kommen Sie zu neuen Funden – vor allem durch Bauprojekte? 

Die Besichtigung von Baustellen macht einen grossen Teil unserer Arbeit aus. Dabei geht es darum, die Stellen zu dokumentieren, bevor sie zerstört werden. In Gebieten wie im Emmental bleiben die Stellen oftmals seit Jahrhunderten unberührt. In Wäldern ist in letzter Zeit manchmal durch Sturmschäden etwas zum Vorschein gekommen.  


Gab es viele Meldungen während der öffentlichen Auflage des Archäologischen Inventars?

Mehr als erwartet. Es meldeten sich einige Leute, welche Fragen hatten, etwa zu Funden oder einem Schutzgebiet. Das Thema Archäologie stösst also auf Interesse. 

Adriano Boschetti

Adriano Boschetti (1972) studierte Ur- und Frühgeschichte, mittelalterliche Archäologie und Geschichte. Seit 2015 hat er die Leitung des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern inne.

12.08.2021 :: Bruno Zürcher (zue)