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Kolumnenhintertreiber

Sie liegt zwar schon eine Weile zurück, die Fussball-Europameisterschaft. Längst sind andere Themen Inhalt von Stammtischgeprächen, füllen andere Ereignisse die Zeitungsspalten, Radio- und Fernsehnachrichten. Wenn auch nie für lange. Wer schreibt und redet denn heute noch von Belarus, Burma, Syrien? Was soeben noch brennend wichtig war, wird durch Neues abgelöst, ins Abseits verdrängt…

Apropos Abseits, ich wollte ja eigentlich über das Wichtigste der Welt schreiben, über den Fussball. Und ich wollte nicht nur, ich habs sogar getan. Vor Wochen schon, genauer: unmittelbar nach dem lustlosen Auftritt unserer Nationalmannschaft gegen die Italiener.

Meinen ganzen Ärger, meinen Frust habe ich mir von der Seele geschrieben, Häme und Spott schüttete ich druckbuchstäblich über unsere Schütteler aus. 

Ich eiferte lustvoll Frau Holle nach, die einstmals klebriges Pech über die faule Marie ausschüttete.

Glasklar forderte ich vom Schweizerischen Fussballverband, dass er die Spieler augenblicklich mit Rollstühlen ausrüste, damit sie auf dem Rasen ja nicht noch selber gehen, geschweige denn traben müssen. Oder noch besser: man möge jedem Spieler eine Sänfte und zwei Träger zur Verfügung stellen. Sie hätten dann wirklich so «abgehoben» gewirkt, wie einige von ihnen es schon vor der EM mittels grossspuriger Prognosen taten.

Und es hätte nun jedem Reporter und
Zuschauer eingeleuchtet, dass die
Schweizer so kein Bein auf den Boden bringen können. Und sie hätten sich so auch nicht peinlich schauspielernd über den Rasen wälzen müssen, weil sie in
ihren plüschkissengepolsterten Sänften vor jeglicher Feindberührung geschützt
gewesen wären.

Ich plädierte ferner dafür, dass man die Mannschaftsgarderobe mit Coiffeursesseln und Trockenhauben ausstattet, damit die Diven und Lamborghini-Buben vor und nach dem Spiel ihre Haare modisch waschen-legen-schneiden-färben lassen können. Dass pro Spieler ein Starfriseur zur Verfügung stehen muss, ist ja klar.

Und zu guter Letzt forderte ich die Entlassung des Trainers um ihn durch einen ausgewiesenen Chorleiter zu ersetzen. Statt Training mit dem Ball, welches
ohnehin nicht nützt, hätten die Buben gescheiter die Hymne geprobt…

Oh ja, ich hatte mich so richtig in Rage geschrieben und dann – dann hintertreiben diese Mannen meine ganze schöne Kolumne einfach so mit einem wahrlich begeisternden, mitreissenden Auftritt
gegen die Franzosen. 

Und ich habe gejubelt, geschrien, bin
herumgehüpft, habe mich gefreut und – die grässliche, hässliche Spottkolumne
in hundert Fetzen gerissen.

Und dürfte ich jetzt noch einmal Frau Holle sein, ich würde sie alle mit Gold überschütten, wie weiland die fleissige Marie.

29.07.2021 :: Peter Leu