Theaterprojekt auf dem Brauchbühl: Szenen eines vermurksten Lebens

Theaterprojekt auf dem Brauchbühl: Szenen eines vermurksten Lebens
Die eine Rolle von Johann Ulrich Liechti ist jene des selber ziemlich ratlosen Lebensberaters. / Bild: Gertrud Lehmann (glh)
Lützelflüh: Auf seinem Hof Brauchbühl stellte Bauer Johann Ulrich Liechti mit «Froschnacht» Szenen eines Vater-Sohn-Konflikts dar. Der zweistündige Monolog weiss zu beeindrucken.

So grausam kann das Leben sein! Oder ist es das Schicksal? Oder Gott? Oder der Mensch? Das Theater, das Bauer Johann Ulrich Liechti aus dem Roman Froschnacht von Markus Werner heraus filtriert und aufgeführt hat, fährt ein. Beeindruckend, mit welcher Glaubwürdigkeit er die zwei Rollen, zwischen Vater und Sohn hin und her switchend, darstellt. Und auch beeindruckend, wie ein berufs-tätiger Landwirt so nebenher noch einen fast zweistündigen Monolog auswendig lernen kann. Drei Jahre habe er an dieser Aufführung gearbeitet, sagt er. Alle Achtung, es hat sich gelohnt.

Himmlische Belohnung

Auf der Einfahrt zur Heubühne, leicht ansteigend wie im Amphitheater, sitzen zwei Dutzend Besucher. Das wechselhafte Wetter versprach nichts Gutes, doch nun werden die Mutigen belohnt. Zur Linken steht vor ihnen ein Bretterverschlag als Kulisse für den Bauernhof, rechts vor weissen Wänden das Mobiliar einer Beratungspraxis. Zwischen den zwei Welten wechselt der Akteur entweder als der Vater, ein vom Leben enttäuschter Bauer in Stiefeln und Stallkluft, oder als der Sohn, ein selbst ratloser Lebensberater im dunkelblauen Rollkragenpullover, hin und her. Die Kühe braucht es, weil der Vater als Bauer ja nur mit ihnen spricht. Im Fauteuil nebenan sitzt Liechtis Frau Andrea als Souffleuse, auf deren Hilfe er manchmal zählen muss. Und über allem spannt sich an diesem Abend der Premiere der dramatischste je gesehene Regenbogen, als sollte der Mann für sein Bemühen belohnt werden.

Das Leben ist ein Theater

Mit seinem Vater habe er ein gutes Verhältnis, beteuert Liechti, nicht dass man die Aufführung fälschlicherweise als persönliche Abrechnung auffassen könnte. Aber das Buch habe ihm vor Jahren aus einer Krise geholfen, und ihn tief beeindruckt. Deshalb wollte er es als Theater zeigen. Unterstützt haben ihn dabei zwei junge Regisseure, Andreas Lüthi und Tino Hofer. Was der studierte Agronom und Berufsschullehrer an diesem Abend dem Publikum bietet, ist kein Bauernschwank. Obwohl die Ankündigung: «1 Mann, 2 Rollen, 5 Kühe» eher komisch anmutet. Es ist mehr als der Lebensrückblick des «abverreckten Pfaffen» in seiner Lebenskrise. Es sind die Geschicke seiner Familienangehörigen, von Frau und Kindern, von Freunden und Feinden, die man nach und nach erfährt. Und keiner ist glücklich, keiner von ihnen hat das einst erträumte Lebensziel erreicht. Was das Leben doch für ein Theater ist, und wir sind nur Statisten. Doch wer führt Regie, verteilt die Rollen?


Dernière: heute Donnerstagabend, 22. Juli, 19.30 Uhr.

22.07.2021 :: Gertrud Lehmann (glh)