Wie weiter mit den Gewerbekanälen, wenn die Kraftwerke stillstehen?

Wie weiter mit den Gewerbekanälen, wenn die Kraftwerke stillstehen?
Der Grünenkanal fliesst im Ortsteil Grünen mitten durch die Häuser und Gärten. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Sumiswald: Die drei Kraftwerke an den Gewerbekanälen stellen den Betrieb ein. Verschärfte Auflagen punkto Restwasser sind der Hauptgrund. Die Gemeinde möchte die Kanäle zuschütten.

Hans Jörg zieht seine Stiefel an und stapft in Richtung Grüene. Der Fluss führt nach all dem Regen viel Wasser. Jörg will kontrollieren, ob sich beim Einlauf zum Grünenkanal viel Material wie Sand, Erde und Holz abgelagert hat. «Es sieht gut aus», meint er und zeigt, wie er den Zufluss in den Gewerbekanal mittels zweier Schieber regulieren kann. «Damit kann ich verhindern, dass der Kanal zu viel Wasser führt und überschwemmt.» Bis vor kurzem hat Hans Jörg in der alten Mühle in Grünen Strom produziert. Je nach Wassermenge habe er pro Monat 500 bis 800 Kilowattstunden einspeisen können, Strom für zwei, drei Haushalte. «Bei Niedrigwasser stand das Kraftwerk aber auch mehrere Monate still.» Jetzt hat Hans Jörg es ganz abgestellt, obwohl seine Konzession noch bis 2029 laufen würde. «Ich hätte den Generator reparieren müssen. Das lohnt sich auch im Hinblick auf die neuen Vorschriften nicht mehr.» Zudem sei der Unterhalt aufwändig.

Höhere Restwassermengen

Hans Jörg ist nicht der einzige Betreiber eines Kleinwasserkraftwerks in Sumiswald. Drei Gewerbekanäle zweigen von der Grüene ab: der Mauerkanal, der Eykanal und der Grünenkanal. Sie wurden einst genutzt, um Wasserräder anzutreiben. Im 20. Jahrhundert wurden dann Kleinwasserkraftwerke errichtet. Nun haben auch die beiden anderen Betreiber entschieden, ihre Werke stillzulegen. Für jenes im Eykanal ist die Konzession im Januar 2021 abgelaufen, diejenige des Werks Mauer läuft Ende 2021 ab. Sobald eine Konzession erneuert werden muss, gelten die höheren, 2009 im Gewässerschutzgesetz festgelegten Restwassermengen. Das ist die Mindestmenge, die nach einer Wasserentnahme in einem Gewässer verbleiben muss. 

Der Entscheid, die Kraftwerke abzustellen, wirkt sich auch auf die Gewässerräume und die Siedlungsentwässerung aus (siehe Kasten).

Weniger Wasser wegen Klimawandel

«Die Restwassermenge für die Grüene beträgt bisher 220 Liter pro Sekunde, neu wäre es gut das Doppelte», erklärt Adrian Schwarz, der das Kraftwerk Mauer vor 20 Jahren erneuert hat. Das habe zur Folge, dass die Turbine mehrheitlich stillstehen würde, zumal mit dem Klimawandel der Fluss künftig noch weniger Wasser führen werde. Schon die letzten vier, fünf Sommer seien extrem trocken gewesen. «Auf diese Weise lässt sich kein Strom mehr produzieren», ist Schwarz zum Schluss gekommen. Er hat das Kraftwerk bereits im November abgestellt und den Schieber geschlossen. Von der Grüene her fliesst also kein Wasser mehr in seinen Gewerbekanal. Als Betreiber sei er nun verpflichtet, die Anlagen zurückzubauen, was hohe Kosten verursache. Bis 2030 kann man mit Subventionen der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid und des Bundesamts für Umwelt rechnen. 

Auch Adrian Probst, der das Kraftwerk im Eykanal betreibt, will seine Konzession nicht erneuern. Stillgelegt hat er die Anlage noch nicht. Der Kanton habe den Weiterbetrieb bewilligt, bis klar sei, wie es mit dem Gewerbekanal weitergehe, sagt er.

Mit dem Zuschütten entfallen Gewässerräume

Was soll mit den Gewerbekanälen geschehen, wenn alle Kraftwerke stillgelegt und zurückgebaut sind? «Fliesst weiterhin Wasser in den Kanälen, müssen wir die Gewässerräume ausscheiden», sagt Fritz Lehmann, Gemeinderat mit dem Ressort Umwelt. Das hat Konsequenzen für die Anstösser: «Es müssten dann Bauabstände eingehalten werden. Es wäre zum Beispiel nicht mehr möglich, einen Anbau zu erstellen.» Eingeschränkt wäre auch die Bewirtschaftung des Landes entlang der Kanäle. Werden diese dagegen stillgelegt und zugeschüttet, stellt sich das Problem nicht. «Beim Mauer- und Eykanal sind die Besitzer damit einverstanden», erklärt der Vize-Gemeindepräsident. Ziel sei es, im 2022 den Rückbau vorzunehmen.

Anders präsentiere sich die Lage beim Grünenkanal, der meist offen durch eine Siedlung führt. Er werde genutzt für die Bewässerung von Gärten, manche Anstösser hätten Teiche angelegt. Darauf wollten nicht alle verzichten. «Wie es da weitergeht, ist noch in Abklärung», sagt Lehmann. Geregelt werden müsste etwa der Unterhalt des Kanals. Heute seien mehrheitlich die Konzessionäre dafür zuständig. Weiter stelle sich die Haftungsfrage: «Was, wenn ein Kind hineinfällt oder das Wasser verschmutzt wird?», gibt Fritz Lehmann zu bedenken. Sobald mehr klar sei, werde die Gemeinde die Betroffenen zu einer Infoveranstaltung einladen.

Die Entwässerung sicherstellen

Werden die Kanäle zugeschüttet, hat dies wiederum Auswirkungen auf die Siedlungsentwässerung, welche die Gemeinde sicherstellen muss. Das Regen- und Dachwasser von älteren Liegenschaften fliesse heute in die Gewerbekanäle, erklärt Fritz Lehmann. Bei den neueren sei dies nicht mehr der Fall. «Wir sind nun dran, ein Siedlungsentwässerungskonzept zu erstellen. Möglicherweise können die neuen Leitungen gleich in den Kanälen verlegt werden.» 

22.07.2021 :: Silvia Wullschläger (sws)