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Handel

Kürzlich traf ich nach Jahren meinen ehemaligen Schulkollegen Urs wieder. Er schien Wert auf sein Äusseres zu legen, war elegant gekleidet und an seinem Handgelenk baumelte eine teure Uhr. «Weisst du, ich habe in Klimazertifikate investiert», erzählte er auf meine Frage, was er denn so mache. «Klima… was?», fragte ich. Er lächelte überlegen. «Konzerne, die ihre Klimaziele nicht erreichen, können das kompensieren, indem sie Zertifikate kaufen.» – «Und woher hast du die?» – «Ich suche Umweltprojekte in Entwicklungsländern, zum Beispiel Aufforstungen, Solaranlagen oder so. Die bekommen für das eingesparte CO2 ein Zertifikat und das verkaufe ich den Konzernen. So bekommen die im Süden Geld und die Industrie bei uns spart hohe Kosten.» – «Das muss ein gutes Geschäft sein», erwiderte ich mit Blick auf sein Handgelenk. «Läuft nicht schlecht», sagte er, «bei uns wollen alle eine weisse Weste, das ist gut fürs Image.» – «Das erinnert mich an den Ablasshandel im Spätmittelalter», gab ich zu bedenken. «Was für ein Handel?», fragte er. «Wenn man sündigte – und wer tat das nie? – und deshalb Angst hatte vor dem Fegefeuer, konnte von der Kirche einen Ablassbrief kaufen, damit bestätigte sie den Erlass der Sünden.» – «Krass! Die haben die Leute aber recht ausgenommen damit!» – «Ja, man sagt, der St. Petersdom in Rom sei vor allem mit solchem Geld erbaut worden.» – «Das finde ich aber voll daneben, mit dem Glauben der Leute solche Geschäfte zu machen. Das gibts heute nicht mehr, oder?» – «In der Kirche nicht mehr», entgegnete ich. «Aber heute habe ich einen getroffen, der so ziemlich das Gleiche tut.» Er schaute mich kritisch an. «Jetzt unterstellst du mir etwas. Ich mache nichts Illegales, der Staat will das sogar!»  – «Das war auch damals so», sagte ich, aber er hatte sich schon umgedreht und war gegangen.

01.07.2021 :: Samuel Burger